Läufig - Amy Blankenship

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Läufig

Blutsbündnis-Serie Buch 4

Amy Blankenship, RK Melton

Translated by Martina Hillbrand

Copyright © 2012 Amy Blankenship

Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand

Zweite Auflage herausgegeben von TekTime

Alle Recht vorbehalten.

Kapitel 1

Micah lag am Bett, eingewickelt in so viele Verbände, dass er schon beinahe wie eine Mumie aussah. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als Frau Tully um ihn schwänzelte, wie eine Henne um ihr Küken, und ab und zu ihren Kopf schüttelte. Er beschwerte sich auch nicht über die Menge an Schmerzmittel, die sie in seinen Arm injiziert hatte. Er konnte sich im Spiegel an der anderen Wand sehen und wollte eine Augenbraue heben, aber entschied sich schnell anders, als auch das schon schmerzte.

Sie hatten ihm schon versichert, dass Anthony tot war, aber er konnte nichts dagegen tun, dass er sich wünschte, dass der Alphawerwolf noch am Leben wäre, damit er den Schweinehund ebenso foltern könnte, wie dieser es mit ihm getan hatte. Das, was sie ihm erzählt hatten, klang wie ein schneller Tod. Er hätte es nicht schnell gemacht.

„Ich glaube, ihr Formwandler werdet mich noch ins Grab bringen“, jammerte Frau Tully leise. Die Formwandler… sowohl die Jaguare, wie auch die Pumas, hatten es ihr besonders angetan. Sie hatte bei der Geburt jedes einzelnen von ihnen assistiert und war deren Müttern sehr nahegestanden. „Sieh dir nur an, in welchem Zustand du bist.“

Micah schmollte in Richtung Decke, wobei er gleich begann, sich schwindlig zu fühlen, als er dem Ventilator an der Decke zusah, wie der sich fortwährend im Kreis drehte. „Es war nicht meine Schuld, dass ich entführt und gefoltert wurde.“

Frau Tully schlug ihm vorsichtig mit ihren Fingerspitzen auf die Stirn. „Da muss ich dir leider widersprechen, junger Skywalker. Wenn die Geschichten, die ich gehört habe, stimmen, hast du diesem schrecklichen Werwolf die Stirn geboten, und darum hat er dich entführt.“

„Also sagen Sie, dass ich mir das selbst eingebrockt habe?“ fragte Micah scharf und ignorierte dabei das Grinsen der anderen Leute im Zimmer.

„Unterbrich die Weisheit des Alters nicht“, erwiderte Frau Tully mit einem strengen Gesichtsausdruck. „Ich war noch nicht fertig. Also, wie ich sagte… du hast diesem lausigen Hund die Stirn geboten, und ich muss sagen, dass das längst überfällig war.“

Micah warf Quinn einen vielsagenden Blick zu und grinste, als wollte er sagen: 'Hab ich's doch gesagt'. Er war nicht bereit, seinem Bruder zu verzeihen. Er hatte Quinn vor Anthony gewarnt, und dieser hatte ihm gesagt, dass er sich heraushalten sollte. Er hoffte, dass sein großer Bruder jetzt glücklich war, weil er nicht aufstehen konnte, um sich einzumischen.

„Hört auf!“, knurrte Frau Tully und verpasste ihm einen Klaps auf die Schädeldecke.

Dadurch wurden die Kopfschmerzen plötzlich wieder unerträglich und er presste seine Augenlider aufeinander. „He, ich bin verletzt“, beschwerte sich Micah.

„Du machst es nur noch schlimmer, indem du diese Geschwisterrivalität aufrecht erhältst“, schoss Frau Tully zurück und warf Quinn denselben warnenden Blick zu. „Ich muss meine Enkelin anrufen und ihr sagen, wo ich bin. Die arme Kleine wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht zu Hause bin, und das Telefon nicht abnehme.“

Frau Tully wartete nicht darauf, dass ihr jemand zeigte, wo das Telefon war. Sie war nicht zum ersten Mal im Hause der Wilders. Sie wäre beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert, als sie Michael still in einem Stuhl in einer dunklen Ecke des Zimmers sitzen sah. Es passte gar nicht zu dem charmanten Vampir, dass er so nachdenklich war. Als sich die Tür hinter ihr schloss, wandten sich aller Blicke wieder auf Micah.

„Es ist schön, dich endlich wieder zu Hause zu sehen, wo du hingehörst“, sagte Steven mit einem freundlichen Lächeln, das die Tatsache, dass er besorgt war, verbergen sollte. Obwohl Micah zu Hause war, sagte ihm etwas, dass er nicht außer Gefahr war. Micah war blass und seine Augen waren ein wenig zu glasig für seinen Geschmack.

Micah erwiderte das Lächeln, aber ein Schwindelgefühl überkam ihn. „Ich bin nur froh, dass ich aus dieser Hölle weg bin.“

„Du warst diesmal sehr leichtsinnig“, erklärte Quinn vom Fenster her, wo er stand, seine Arme vor der Brust verschränkt. „Du hättest in diesem Keller sterben können, wenn wir die Nachricht, die du Alicia geschickt hast, nicht gesehen hätten.“

Micah sah sich im Zimmer um, hielt Ausschau nach seiner kleinen Schwester und runzelte die Stirn. „Apropos Alicia, wo ist sie? Ich hätte erwartet, dass sie hier ist.“

„Sie ist auf Besuch bei einer Freundin und bleibt dort, bis dies alles vorbei ist“, antwortete Kat. Sie schielte hinüber zu Quinn und fragte sich, wie lange er warten würde, ehe er seine Schwester anrufen wollte, um ihr zu sagen, dass sie zurückkommen konnte.

„Wieso ist sie nicht von Anthonys Villa mit uns zurückgekommen?“, fragte Micah. „Ich war mir sicher, dass sie…“, er schielte wieder hinüber zu Quinn, gab ihm die Schuld für Alicias Abwesenheit, einfach, weil er es wollte.

Nick verdrehte die Augen, aber innerlich zog er den Kopf ein. Er versuchte, nicht zu Michael hinüber zu sehen, denn er wusste, dass der Vampir die Erinnerungen der anderen ausgelöscht hatte, aber nicht seine und nicht Micahs. „Mann, sie haben dich wohl ein paar Mal zu fest am Kopf getroffen… Alicia war nicht in Anthonys Haus.“

„Aber sie war da“, beharrte Micah. „Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen.“ Er schenkte Nick einen bösen Blick, aber dieser zuckte nur seine Schultern und schüttelte den Kopf.

Er sah von einem zum anderen und erkannte, dass niemand bestätigen wollte, dass Alicia in der Villa gewesen war. Er erinnerte sich an sie in dem Keller… wie sie seine Hand gehalten hatte. Sie hatte geweint und er würde nicht zur Ruhe kommen, ehe er sie wiedersah und sicher war, dass es ihr gut ging. Er wusste nicht, was für ihn schlimmer gewesen war… sie weinen zu sehen, oder fast zu sterben. Er sah sich noch einmal um und stellte fest, dass auch der Mann, der bei Alicia gewesen war, nicht anwesend war.

Schnaubend legte er seinen Kopf wieder auf das Kissen und beschloss, dass er herausfinden musste, bei welcher Freundin Alicia war. Er würde sie suchen, und von ihr die Wahrheit erfahren.

„Du musst halluziniert haben“, sagte Jewel sanft.

Micah sah hinüber auf die hübsche Blondine und runzelte die Stirn. „Wer bist du?“

„Das ist Jewel Scott Wilder“, sagte Steven und legte seinen unverletzten Arm um ihre Schultern. Frau Tully hatte sich schon um seine Schusswunden gekümmert, und den lädierten Arm in eine Schlinge gebunden. „Sie ist meine Partnerin.“

„Anthonys Jewel Scott?“ Nun war Micah nur noch verwirrter.

„Nur in Anthonys krankem Kopf“, entgegnete Steven, aber konnte sich nicht davon abhalten, Jewel ein wenig enger an sich zu ziehen.

Micah blinzelte und sah hinüber zu Quinn, um von ihm eine Bestätigung zu erhalten, als er sah, wie Kat sich an seinen älteren Bruder schmiegte. Seufzend fragte er sich, wie hoch die Drogendosis war, die Frau Tully ihm verabreicht hatte, denn entweder verlor er seinen Verstand, oder alle anderen taten es. Er sah zu der einzigen Person in dem Zimmer, von der er wusste, dass er noch nicht völlig bescheuert war: Warren.

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