Der Prokurator - Гете Иоганн Вольфганг страница 3.

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Nicht immer wird das Bild deines Gemahls, wie jetzt seine Gegenwart, sie von deiner Türe und deinem Herzen verscheuchen. Du bist ein edles und gutes Kind, aber die Forderungen der Natur sind rechtmäßig und gewaltsam; sie stehen mit unserer Vernunft beständig im Streite und tragen gewöhnlich den Sieg davon. Unterbrich mich nicht! Du wirst gewiß in meiner Abwesenheit, selbst bei dem pflichtmäßigen Andenken an mich, das Verlangen empfinden, wodurch das Weib den Mann anzieht und von ihm angezogen wird. Ich werde eine Zeitlang der Gegenstand deiner Wünsche sein; aber wer weiß, was für Umstände zusammentreffen, was für Gelegenheiten sich finden, und ein anderer wird in der Wirklichkeit ernten, was die Einbildungskraft mir zugedacht hatte. Werde nicht ungeduldig, ich bitte dich, höre mich aus!

Sollte der Fall kommen, dessen Möglichkeit du leugnest und den ich auch nicht zu beschleunigen wünsche, daß du ohne die Gesellschaft eines Mannes nicht länger bleiben, die Freuden der Liebe nicht wohl entbehren könntest, so versprich mir nur, an meine Stelle keinen von den leichtsinnigen Knaben zu wählen, die, so artig sie auch aussehen mögen, der Ehre noch mehr als der Tugend einer Frau gefährlich sind. Mehr durch Eitelkeit als durch Begierde beherrscht, bemühen sie sich um eine jede und finden nichts natürlicher, als eine der andern aufzuopfern. Fühlst du dich geneigt, dich nach einem Freunde umzusehen, so forsche nach einem, der diesen Namen verdient, der bescheiden und verschwiegen die Freuden der Liebe noch durch die Wohltat des Geheimnisses zu erheben weiß.»

Hier verbarg die schöne Frau ihren Schmerz nicht länger, und die Tränen, die sie bisher zurückgehalten hatte, stürzten reichlich aus ihren Augen.»Was du auch von mir denken magst«, rief sie nach einer leidenschaftlichen Umarmung aus,»so ist doch nichts entfernter von mir als das Verbrechen, das du gewissermaßen für unvermeidlich hältst. Möge, wenn jemals auch nur ein solcher Gedanke in mir entsteht, die Erde sich auftun und mich verschlingen, und möge alle Hoffnung der Seligkeit mir entrissen werden, die uns eine so reizende Fortdauer unsers Daseins verspricht. Entferne das Mißtrauen aus deiner Brust und laß mir die ganze reine Hoffnung, dich bald wieder in meinen Armen zu sehen!»

Nachdem er auf alle Weise seine Gattin zu beruhigen gesucht, schiffte er sich den andern Morgen ein; seine Fahrt war glücklich, und er gelangte bald nach Alexandrien.

Indessen lebte seine Gattin in dem ruhigen Besitz eines großen Vermögens nach aller Lust und Bequemlichkeit, jedoch eingezogen, und pflegte außer ihren Eltern und Verwandten niemand zu sehen, und indem die Geschäfte ihres Mannes durch getreue Diener fortgeführt wurden, bewohnte sie ein großes Haus, in dessen prächtigen Zimmern sie mit Vergnügen täglich das Andenken ihres Gemahls erneuerte.

So sehr sie aber auch sich stille hielt und eingezogen lebte, waren doch die jungen Leute der Stadt nicht untätig geblieben. Sie versäumten nicht, häufig vor ihrem Fenster vorbeizugehen, und suchten des Abends durch Musik und Gesänge ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die schöne Einsame fand anfangs diese Bemühungen unbequem und lästig, doch gewöhnte sie sich bald daran und ließ an den langen Abenden, ohne sich zu bekümmern, woher sie kämen, die Serenaden als eine angenehme Unterhaltung sich gefallen und konnte dabei manchen Seufzer, der ihrem Abwesenden galt, nicht zurückhalten.

Anstatt daß ihre unbekannten Verehrer, wie sie hoffte, nach und nach müde geworden wären, schienen sich ihre Bemühungen noch zu vermehren und zu einer beständigen Dauer anzulassen. Sie konnte nun die wiederkehrenden Instrumente und Stimmen, die wiederholten Melodien schon unterscheiden und bald sich die Neugierde nicht mehr versagen, zu wissen, wer die Unbekannten und besonders wer die Beharrlichen sein möchten. Sie durfte sich zum Zeitvertreib eine solche Teilnahme wohl erlauben.

Sie fing daher an, von Zeit zu Zeit durch ihre Vorhänge und Halbläden nach der Straße zu sehen, auf die Vorbeigehenden zu merken und besonders die Männer zu unterscheiden, die ihre Fenster am längsten im Auge behielten. Es waren meist schöne, wohlgekleidete junge Leute, die aber freilich in Gebärden sowohl als in ihrem ganzen Äußern ebensoviel Leichtsinn als Eitelkeit sehen ließen. Sie schienen mehr durch ihre Aufmerksamkeit auf das Haus der Schönen sich merkwürdig machen als jener eine Art von Verehrung beweisen zu wollen.

«Wahrlich«, sagte die Dame manchmal scherzend zu sich selbst,»mein Mann hat einen klugen Einfall gehabt! Durch die Bedingung, unter der er mir einen Liebhaber zugesteht, schließt er alle diejenigen aus, die sich um mich bemühen und dir mir allenfalls gefallen könnten. Er weiß wohl, daß Klugheit, Bescheidenheit und Verschwiegenheit Eigenschaften eines ruhigen Alters sind, die zwar unser Verstand schätzt, die aber unsre Einbildungskraft keinesweges aufzuregen noch unsre Neigung anzureizen imstande sind. Vor diesen, die mein Haus mit ihren Artigkeiten belagern, bin ich sicher, daß sie kein Vertrauen erwecken, und die, denen ich mein Vertrauen schenken könnte, finde ich nicht im mindesten liebenswürdig.»

In der Sicherheit dieser Gedanken erlaubte sie sich immer mehr, dem Vergnügen an der Musik und an der Gestalt der vorbeigehenden Jünglinge nachzuhängen, und ohne daß sie es merkte, wuchs nach und nach ein unruhiges Verlangen in ihrem Busen, dem sie nur zu spät zu widerstreben gedachte. Die Einsamkeit und der Müßiggang, das bequeme, gute und reichliche Leben waren ein Element, in welchem sich eine unregelmäßige Begierde früher, als das gute Kind dachte, entwickeln mußte.

Sie fing nun an, jedoch mit stillen Seufzern, unter den Vorzügen ihres Gemahls auch seine Welt- und Menschenkenntnis, besonders die Kenntnis des weiblichen Herzens zu bewundern.»So war es also doch möglich, was ich ihm so lebhaft abstritt«, sagte sie zu sich selbst,»und so war es also doch nötig, in einem solchen Falle mir Vorsicht und Klugheit anzuraten! Doch was können Vorsicht und Klugheit da, wo der unbarmherzige Zufall nur mit einem unbestimmten Verlangen zu spielen scheint! Wie soll ich den wählen, den ich nicht kenne? Und bleibt bei näherer Bekanntschaft noch eine Wahl übrig?»

Mit solchen und hundert andern Gedanken vermehrte die schöne Frau das Übel, das bei ihr schon weit genug um sich gegriffen hatte. Vergebens suchte sie sich zu zerstreuen; jeder angenehme Gegenstand machte ihre Empfindung rege, und ihre Empfindung brachte, auch in der tiefsten Einsamkeit, angenehme Bilder in ihrer Einbildungskraft hervor.

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