Aussicht in die Ewigkeit.
Aus Des Knaben Wunderhorn.
Fliegendes Blatt
O wie gehts im Himmel zu
und im ewigen Leben,
alles kann man haben gnug,
darf kein Geld ausgeben,
alles darf man borgen,
nicht fürs Zahlen sorgen;
wenn ich einmal drinnen wär,
wollt nicht mehr heraus begehr.
Fällt im Himmel Fasttag ein,
speisen wir Forellen,
Peter geht in Keller nein,
tut den Wein bestellen;
David spielt die Harfen,
Ulrich bratet Karpfen,
Margaret backt Küchlein gnug,
Paulus schenkt den Wein in Krug.
Lorenz hinter der Küchentür,
tut sich auch bewegen,
tritt mit seinem Rost herfür,
tut Leberwürst drauf legen,
Dorthe und Sabina,
Liesbeth und Kathrina,
alle um den Herd rum stehn,
nach den Speisen sie auch sehn.
Jetzt wollen wir zu Tische gehn,
die beste Speis zu essen,
die Engel um den Tisch rum stehn,
schenken Wein in d Gläser.
Sie tun uns invitieren,
der Barthel muß transchieren,
Joseph legt das Essen vor,
Cäcilia bstellt ein Musikchor.
Martin auf dem Schimmel reit,
tut fein gallopieren,
Blasi hält die Schmier bereit,
tut die Kutschen schmieren,
wären wir ja Narren,
wenn wir nicht täten fahren,
und täten alleweil zu Fuße gehn,
und ließen Roß und Kutsche stehn.
Nun adje, du falsche Welt,
du tust mich verdrießen,
im Himmel mir es besser gfällt,
wo alle Freuden fließen.
Alles ist verfänglich,
und alles ist vergänglich,
wenn ich einmal den Himmel hab,
hust ich auf die Welt herab.
Der Tod von Basel.
Volkslied
Als ich ein Junggeselle war,
nahm ich ein steinalt Weib;
ich hatt sie kaum drei Tage,
Ti Ta Tage,
da hats mich schon gereut.
Da ging ich auf den Kirchhof hin
und bat den lieben Tod:
Ach lieber Tod von Basel,
Bi Ba Basel,
hol mir mein Alte fort!
Und als ich wieder nach Hause kam,
mein Alte war schon tot;
ich spannt die Roß ann Wagen,
Wi Wa Wagen,
und fuhr mein Alte fort.
Und als ich auf den Kirchhof kam,
das Grab war schon gemacht:
Ihr Träger tragt fein sachte,
si sa sachte,
daß d Alte nit erwacht!
Scharrt zu, scharrt zu, scharrt immerzu
das alte böse Weib!
sie hat ihr Lebetage,
Ti Ta Tage,
geplagt meinn jungen Leib.
Und als ich wieder nach Hause kam,
all Winkel warn mir zu weit;
ich wartte kaum drei Tage,
Ti Ta Tage,
und nahm ein junges Weib.
Das junge Weibel, das ich nahm,
das schlug mich alle Tag;
Ach! lieber Tod von Basel,
Bi Ba Basel,
hätt ich mein Alte noch!
Der waltbruder mit dem esel, der argen welt tut niemant recht
von
Hans Sachs
Vor jaren wont in einem walt
ein waltbruder, an jaren alt,
der sich der wurzeln neren tet;
derselb ein jungen sune het,
in dem alter bei zweinzig jarn,
der war einfeltig, unerfarn,
der fragt den alten: sag doch mir,
sint in dem walt gewachsen wir?
wan er nie menschen het gesehen.
der alt tet zu dem jungen gehen:
mein sun, da du noch warest klein,
hab ich dich geflehet2 herein
aus der arglisting, bösen welt,
das sie uns nit schmech, spott und schelt,
weil ir gar niemant recht kan tan,
sie schlag im doch ein blechlein an3.
still schwig der sun, doch tag und nacht
des vatters red stets nachgedacht,
was doch die welt nur möcht gesein4.
zu letzt da wolt er ie darein,
legt an den vatter große bit,
der es doch lang zeit widerriet;
zu letzt er überredet wart
und macht sich mit im auf die fart,
und fürten iren esel mit
ledig, ir keiner darauf rit.
im walt bekam5 in ein kriegsman,
der sprach: wie laßt ir ledig gan
den faulen esel hie allein?
Ir dunkt mich nit fast witzig sein,
das euer keiner darauf reit.
als sie nun von im kamen weit,
der vatter sprach: mein sun, sich zu,
wie uns die welt empfangen tu.
der sun sprach: laß mich darauf reiten.
das gschach, da kam zu in von weiten
ein altes weib neben die ecker,
die sprach: secht zu dem jungen lecker,
der reit, und der alt schwache man
muß hindennach zu füßen gan!
sun, sprach der alt, glaubst du nun mir,
was von der welt ich saget dir?
er sprach: laß uns versuchen baß.
der jung balt von dem esel saß,
und saß der alt balt auf für6 in,
reit also fuß für fuß dahin.
in dem begegnet in ein bauer,
der redt sie an mit worten sauer:
secht an den alten groben lappen,
leßt den jungen im kot her sappen7,
dem nöter wer zu reiten dan im.
der alte sprach: mein sun, vernim,
das man der welt nit recht mag tun.
der sun sprach: vatter, laß mich nun
aufsitzen, das wir reiten bed,
schau, ob die welt dahzu auch red.
aufsaß er und ritten dahin;
da kam ein bettelman zu in,
tet an einr wegscheid auf sie harrn
und sprach: secht an die großen narrn,
wöllen den esel gar erdrücken!
der vatter sprach: in allen stücken
tut uns die welt mit hönwort schmitzen8.
der sun sprach: laß uns beid absitzen,
so wöllen wir den esel tragen,
was nun die welt darzu wil sagen.
absaßen sie, den esel trugen
und mit im übers felt hinzugen,
das von in beiden ran der schweis.
ein edelman kam zu der reis,
tet sie all beid mit worten straffen:
wann her9, wannen her, ir schlauraffen,
das ir das hinder kert herfür10?
der vatter sprach: mein sun, hie spür,
das an der welt ist gar verlorn11.
da sprach der sun in großem zorn:
den esel wöllen wir erschlagen,
denn hat die welt nit mehr zu klagen.
den esel schlugen sie zu haufen;
da kam ein jäger zugelaufen,
der schrei: o ihr großen fantasten,
des esels gneußet ir am basten
lebend, tot ist er euch kein nütz.
zuhant der junge wart urdrütz12
der welt, die in mit spot und straf
so gar an allen orten traf,
sprach: hat die welt auf einen tag
über uns balt so vil der klag,
solt wir denn all tag darin bleiben,
was wunders würt sie mit uns treiben!
und keret mit dem alten dar
in walt, daraus er kommen war.
Kußlied
von
Paul Fleming.
Erneuert
Nirgends hin als auf den Mund:
da sinkts in des Herzens Grund;
nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
nicht mit allzu trägen Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel:
beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise:
nur im Maß ist rechte Weise.
Nicht zu hart und nicht zu weich,
bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
nicht stets auf die gleiche Stelle.
Halb gebissen, halb gehaucht,
halb die Lippen eingetaucht,
nicht ohn Unterschied der Zeiten,
mehr allein denn vor den Leuten.
Küsse nun ein jedermann,
wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
wie wir uns recht sollen küssen.