Лессинг Готхольд Эфраим - Hamburgische Dramaturgie стр 15.

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Es ist an dieser Kritik manches nicht ganz ungegruendet; indes sind wir Deutschen es sehr wohl zufrieden, dass die Handlung nicht reicher und verwickelter ist. Die englische Manier in diesem Punkte zerstreuet und ermuedet uns; wir lieben einen einfaeltigen Plan, der sich auf einmal uebersehen laesst. So wie die Englaender die franzoesischen Stuecke mit Episoden erst vollpfropfen muessen, wenn sie auf ihrer Buehne gefallen sollen; so muessten wir die englischen Stuecke von ihren Episoden erst entladen, wenn wir unsere Buehne gluecklich damit bereichern wollten. Ihre besten Lustspiele eines Congreve und Wycherley wuerden uns, ohne diesen Ausbau des allzu wolluestigen Wuchses, unausstehlich sein. Mit ihren Tragoedien werden wir noch eher fertig; diese sind zum Teil bei weitem so verworren nicht, als ihre Komoedien, und verschiedene haben, ohne die geringste Veraenderung, bei uns Glueck gemacht, welches ich von keiner einzigen ihrer Komoedien zu sagen wuesste.

Auch die Italiener haben eine Uebersetzung von der "Schottlaenderin", die in dem ersten Teile der theatralischen Bibliothek des Diodati stehet. Sie folgt dem Originale Schritt vor Schritt, so wie die deutsche; nur eine Szene zum Schlusse hat ihr der Italiener mehr gegeben. Voltaire sagte, Frelon werde in der englischen Urschrift am Ende bestraft; aber so verdient diese Bestrafung sei, so habe sie ihm doch dem Hauptinteresse zu schaden geschienen; er habe sie also weggelassen. Dem Italiener duenkte diese Entschuldigung nicht hinlaenglich, und er ergaenzte die Bestrafung des Frelons aus seinem Kopfe; denn die Italiener sind grosse Liebhaber der poetischen Gerechtigkeit.

Dreizehntes Stueck Den 12. Junius 1767

Den neunten Abend (montags, den 4. Mai) sollte "Cenie" gespielet werden. Es wurden aber auf einmal mehr als die Haelfte der Schauspieler durch einen epidemischen Zufall ausserstand gesetzet, zu agieren; und man musste sich so gut zu helfen suchen, als moeglich. Man wiederholte "Die neue Agnese" und gab das Singspiel "Die Gouvernante".

Den zehnten Abend (dienstags, den 5. Mai) ward "Der poetische Dorfjunker", vom Destouches, aufgefuehrt.

Dieses Stueck hat im Franzoesischen drei Aufzuege, und in der Uebersetzung fuenfe. Ohne diese Verbesserung war es nicht wert, in die "Deutsche Schaubuehne" des weiland beruehmten Herrn Professor Gottscheds aufgenommen zu werden, und seine gelehrte Freundin, die Uebersetzerin, war eine viel zu brave Ehefrau, als dass sie sich nicht den kritischen Ausspruechen ihres Gemahls blindlings haette unterwerfen sollen. Was kostet es denn nun auch fuer grosse Muehe, aus drei Aufzuegen fuenfe zu machen? Man laesst in einem andern Zimmer einmal Kaffee trinken; man schlaegt einen Spaziergang im Garten vor; und wenn Not an den Mann gehet, so kann ja auch der Lichtputzer herauskommen und sagen: "Meine Damen und Herren, treten Sie ein wenig ab; die Zwischenakte sind des Putzens wegen erfunden, und was hilft Ihr Spielen, wenn das Parterre nicht sehen kann?"—Die Uebersetzung selbst ist sonst nicht schlecht, und besonders sind der Fr. Professorin die Knittelverse des Masuren, wie billig, sehr wohl gelungen. Ob sie ueberall ebenso gluecklich gewesen, wo sie den Einfaellen ihres Originals eine andere Wendung geben zu muessen geglaubt, wuerde sich aus der Vergleichung zeigen. Eine Verbesserung dieser Art, mit der es die liebe Frau recht herzlich gut gemeinet hatte, habe ich demohngeachtet aufmutzen hoeren. In der Szene, wo Henriette die alberne Dirne spielt, laesst Destouches den Masuren zu ihr sagen: "Sie setzen mich in Erstaunen, Mademoiselle; ich habe Sie fuer eine Virtuosin gehalten." "O pfui!" erwidert Henriette; "wofuer haben Sie mich gehalten? Ich bin ein ehrliches Maedchen; dass Sie es nur wissen." "Aber man kann ja", faellt ihr Masuren ein, "beides wohl zugleich, ein ehrliches Maedchen und eine Virtuosin, sein." "Nein", sagt Henriette; "ich behaupte, dass man das nicht zugleich sein kann. Ich eine Virtuosin!" Man erinnere sich, was Madame Gottsched anstatt des Worts "Virtuosin" gesetzt hat: ein Wunder. Kein Wunder! sagte man, dass sie das tat. Sie fuehlte sich auch so etwas von einer Virtuosin zu sein, und ward ueber den vermeinten Stich boese. Aber sie haette nicht boese werden sollen, und was die witzige und gelehrte Henriette, in der Person einer dummen Agnese, sagt, haette die Frau Professorin immer, ohne Maulspitzen, nachsagen koennen. Doch vielleicht war ihr nur das fremde Wort Virtuosin anstoessig; Wunder ist deutscher; zudem gibt es unter unsern Schoenen fuenfzig Wunder gegen eine Virtuosin; die Frau wollte rein und verstaendlich uebersetzen; sie hatte sehr recht.

Den Beschluss dieses Abends machte "Die stumme Schoenheit", von Schlegeln.

Schlegel hatte dieses kleine Stueck fuer das neuerrichtete Kopenhagensche Theater geschrieben, um auf demselben in einer daenischen Uebersetzung aufgefuehret zu werden. Die Sitten darin sind daher auch wirklich daenischer, als deutsch. Demohngeachtet ist es unstreitig unser bestes komisches Original, das in Versen geschrieben ist. Schlegel hatte ueberall eine ebenso fliessende als zierliche Versifikation, und es war ein Glueck fuer seine Nachfolger, dass er seine groessern Komoedien nicht auch in Versen schrieb. Er haette ihnen leicht das Publikum verwoehnen koennen, und so wuerden sie nicht allein seine Lehre, sondern auch sein Beispiel wider sich gehabt haben. Er hatte sich ehedem der gereimten Komoedie sehr lebhaft angenommen; und je gluecklicher er die Schwierigkeiten derselben ueberstiegen haette, desto unwiderleglicher wuerden seine Gruende geschienen haben. Doch, als er selbst Hand an das Werk legte, fand er ohne Zweifel, wie unsaegliche Muehe es koste, nur einen Teil derselben zu uebersteigen, und wie wenig das Vergnuegen, welches aus diesen ueberstiegenen Schwierigkeiten entstehet, fuer die Menge kleiner Schoenheiten, die man ihnen aufopfern muesse, schadlos halte. Die Franzosen waren ehedem so ekel, dass man ihnen die prosaischen Stuecke des Moliere, nach seinem Tode, in Verse bringen musste; und noch itzt hoeren sie ein prosaisches Lustspiel als ein Ding an, das ein jeder von ihnen machen koenne. Den Englaender hingegen wuerde eine gereimte Komoedie aus dem Theater jagen. Nur die Deutschen sind auch hierin, soll ich sagen billiger, oder gleichgueltiger? Sie nehmen an, was ihnen der Dichter vorsetzt. Was waere es auch, wenn sie itzt schon waehlen und ausmustern wollten?

Die Rolle der stummen Schoene hat ihre Bedenklichkeiten. Eine stumme Schoene, sagt man, ist nicht notwendig eine dumme, und die Schauspielerin hat unrecht, die eine alberne plumpe Dirne daraus macht. Aber Schlegels stumme Schoenheit ist allerdings dumm zugleich; denn dass sie nichts spricht, koemmt daher, weil sie nichts denkt. Das Feine dabei wuerde also dieses sein, dass man sie ueberall, wo sie, um artig zu scheinen, denken muesste, unartig machte, dabei aber ihr alle die Artigkeiten liesse, die bloss mechanisch sind, und die sie, ohne viel zu denken, haben koennte. Ihr Gang z.E., ihre Verbeugungen, brauchen gar nicht baeurisch zu sein; sie koennen so gut und zierlich sein, als sie nur immer ein Tanzmeister kehren kann; denn warum sollte sie von ihrem Tanzmeister nichts gelernt haben, da sie sogar Quadrille gelernt hat? Und sie muss Quadrille nicht schlecht spielen; denn sie rechnet fest darauf, dem Papa das Geld abzugewinnen. Auch ihre Kleidung muss weder altvaetrisch, noch schlumpicht sein; denn Frau Praatgern sagt ausdruecklich:

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