Der Mann schüttelte langsam den Kopf und grinste.
„Die Ware die Ihr sucht, ist leider schon verkauft.“, sagte der Mann. „Ein feines Exemplar. Ihr habt einen guten Geschmack. Wählt eine andere, und ich werde Euch einen guten Preis machen.”
Erec blickte finster, und fühlte eine nie gekannte Wut in sich brodeln.
“Wer hat sie mitgenommen?”, wollte Erec wissen.
Der Mann grinste.
„Du meine Güte, Ihr scheint großen Gefallen an dieser einen Sklavin gefunden zu haben.“
„Sie ist keine Sklavin“ knurrte Erec. „Sie ist meine Gemahlin.“
Der Mann sah ihn entsetzt an – und dann warf er plötzlich den Kopf in den Nacken und lachte schallend.
„Eure Gemahlin! Das ist gut. Nicht mehr, mein Freund, nicht mehr! Jetzt ist sie das Spielzeug eines anderen.” Dann verdunkelte sich sein Gesicht zu einer bösen Fratze, und er bedeutete seinen Wächtern. „Und nun schafft mir diesen Abschaum aus den Augen.“
Die Muskelmänner traten vor, und mit einer Geschwindigkeit, die Erec überraschte, sprangen sie beide auf ihn zu und versuchten, ihn zu greifen.
Doch ihnen war nicht bewusst, wen sie da gerade angriffen. Erec war schneller als die beiden und wich aus, griff das Handgelenk des einen, bog es nach hinten bis dieser flach auf dem Rücken lag, und versetzte ihm einen Schlag, der ihn bewusstlos lies. Gleichzeitig versetzte er dem anderen mit dem Ellbogen einen Schlag gegen den Hals. Er zerschmetterte den Kehlkopf und auch der zweite Muskelmann ging zu Boden.
Die beiden Männer lagen wie tot da, und Erec schritt über sie hinweg auf den Wirt zu, der nun bebend und mit vor Angst weit aufgerissenen Augen auf seinem Stuhl saß.
Erec packte den Mann bei den Haaren, riss seinen Kopf nach hinten und hielt seinen Dolch an seinen Hals.
„Sag mir wo sie ist, und ich lasse dich vielleicht am Leben“, knurrte Erec.
Der Mann stammelte.
„Ich werde es Euch sagen, aber Ihr verschwendet Eure Zeit“, antwortete er. „Ein Lord hat sie gekauft. Er hat seine eigenen Ritter und lebt in einer Festung. Er ist ein mächtiger Mann. Seine Festung ist noch nie eingenommen worden. Und selbst wenn, ihm steht eine ganze Armee zur Verfügung. Er ist unermesslich reich – und eine Armee von Söldnern steht ihm in Augenblicken zu Befehl.
„Die Mädchen die er kauft, behält er auch. Er wird sie niemals hergeben. Geht dahin zurück, wo Ihr hergekommen seid. Sie ist fort.“
Erec drückte das Messer härter gegen den Hals des Alten bis sich der Stahl in das Fleisch grub, und Blut zu tropfen begann. Er wimmerte.
„Wo ist dieser Lord?“ Erec knurrte. Langsam verlor er die Geduld.
„Seine Festung liegt im Westen der Stadt. Nehmt das West Tor und folgt der Straße bis ihr auf die Festung stoßt. Aber Ihr verschwendet Eure Zeit. Er hat gutes Geld für sie gezahlt – mehr als sie Wert ist.“
Erec hatte genug. Ohne Zögern schlitzte er die Kehle des Sklavenhändlers auf. Blut schoss aus der Wunde und der Alte gab noch ein paar gurgelnde Laute von sich, bevor er tot vornüber fiel.
Erec blickte auf den Toten und seine Muskelmänner herab, und war einfach nur angewidert von diesem Ort. Er wollte nicht glauben, dass so etwas existierte.
Erec ging quer durch den Raum, und begann die Seile, die die Frauen aneinander fesselten durchzuschneiden, und eine nach der anderen zu befreien. Einige sprangen sofort auf und liefen zur Tür. Bald waren alle befreit und stürmten ins Freie. Einige waren zu sehr berauscht, um aufzustehen, doch die anderen halfen ihnen.
„Wer auch immer Ihr seid“, sagte eine der Frauen zu Erec, als er an der Türe kurz stehenblieb, „Gott schütze Euch. Und wo immer Ihr auch hingeht – möge Gott mit Euch sein.“ Erec wusste die Dankbarkeit und ihren Segen zu schätzen, und hatte das ungute Gefühl, dass er ihn brauchen würde.
KAPITEL ZEHN
Der Tag brach an, und sanftes Licht schien durch die kleinen Fenster von Illepras Haus und fiel auf Gwendolyns geschlossene Augenlider. Langsam erwachte sie.
Die erste Sonne in ihrem gedämpften Orange streichelte sie, und weckte sie sanft in der Stille des ersten Morgenlichts. Sie blinzelte mehrmals, zuerst verwirrt, und fragte sich wo sie war. Und dann fiel es ihr ein:
Godfrey!
Gwen war auf dem Boden der Behausung eingeschlafen und lag auf einem Lager aus Stroh in der Nähe seines Bettes. Illepra schlief direkt neben Godfrey, und es war eine lange Nacht für alle drei gewesen. Godfrey hatte die ganze Nacht lang gestöhnt und sich unruhig im Schlaf hin und hergeworfen, und Illepra war ununterbrochen für ihn da gewesen. Gwen hatte geholfen, so gut sie nur konnte, legte feuchte Tücher auf Godfrey’s Stirn und gab Illepra die Kräuter und Salben nach denen sie unaufhörlich forderte. Die Nacht schien endlos. Godfrey hatte aufgeschrien und sie war sich sicher er würde sterben. Mehr als einmal hatte er nach ihrem Vater gerufen, und jedes Mal jagte es Gwen einen Schauer über den Rücken.
Sie konnte die Anwesenheit ihres Vaters spüren. Sie wusste nicht ob ihr Vater wollte, dass sein Sohn lebte oder starb – ihre Beziehung war immer angespannt gewesen.
Gwen hatte auch in der Hütte geschlafen, denn sie wusste nicht, wo sie sonst hätte hingehen sollen. Sie fühlte sich nicht sicher bei dem Gedanken, ins Schloss zurückzukehren und unter demselben Dach mit ihrem Bruder zu sein; doch hier fühlte sie sich sicher. Unter Illepras Fürsorge, während Akorth und Fulton vor der Türe Wache standen.
Sie war sich fast sicher, dass niemand wusste wo sie war, und sie wollte, dass es auch so blieb. Außerdem hatte sie Godfrey in den letzten Tagen lieb gewonnen, hatte den Bruder, den sie nie richtig gekannt hatte, entdeckt, und es schmerzte sie, daran zu denken, dass er sterben könnte.
Gwen rappelte sich auf und eilte an Godfrey’s Seite. Ihr Herz klopfte und sie fragte sich ob er noch am Leben war. Ein Teil von ihr war sich sicher, dass er, wenn er heute aufwachen sollte, überleben würde. Würde er nicht aufwachen, wäre alles vorbei. Illepra richtete sich langsam auf. Sie musste irgendwann im Laufe der Nacht eingeschlafen sein. Gwen konnte es ihr nicht verübeln.
Die beiden knieten neben Godfrey, während sich das kleine Haus langsam mit Licht füllte.
Gwen legte eine Hand auf seinen Arm und schüttelte ihn sanft, während Illepra eine Hand auf seine Stirn legte. Sie schloss die Augen und atmete ruhig und plötzlich schlug Godfrey die Augen auf. Illepra zog überrascht ihre Hand zurück.
Auch Gwen war überrascht. Sie hatte nicht erwartet, dass er seine Augen öffnen würde. Er drehte seinen Kopf und sah sie an.
„Godfrey?“, fragte sie.
Er blinzelte, schloss die Augen und öffnete sie wieder; dann, sehr zu ihrer Verwunderung stützte er sich auf einen Ellenbogen und schaute sie an.
„Wie spät ist es?“, wollte er wissen. „Und wo bin ich?“
Seine Stimme klang hellwach und gesund und Gwen fühlte eine unglaubliche Erleichterung. Sie lächelte Illepra an und sie lächelte zurück.
Gwen sprang auf, umarmte ihren Bruder und richtete sich wieder auf.
„Du lebst!“, rief sie verzückt.
„Natürlich.”, antwortete er. „Warum sollte ich nicht am Leben sein? Und wer ist sie?“, wollte er mit einem Nicken in Illepras Richtung wissen.
„Das ist die Frau, die dein Leben gerettet hat.“, entgegnete Gwen.
„Mein Leben gerettet?“, echote er.
Illepra senkte den Blick.
„Ich habe nur ein Wenig geholfen“, sagte sie demütig.
„Was ist passiert? Was war mit mir?“, fragte er aufgeregt. „Das letzte, woran ich mich erinnern kann ist, dass ich in der Taverne getrunken habe, und dann...“
„Man hat versucht, dich zu vergiften.“, erklärte Illepra. „Mit einem sehr starken und seltenen Gift. Es ist mir jahrelang nicht begegnet. Du hast Glück, dass du am Leben bist. In der Tat bist du der einzige, der es je überlebt hat. Jemand muss eine schützenden Hand über dich gehalten haben.“