Thor ritt weiter in eine riesige Wolke von McCloud’s Männern. Hundert von ihnen. Er schlug und hieb sich seinen Weg hindurch, während einer nach dem anderen sein Schwert, seine Axt oder Keule nach ihm schwang. Mit seinem Schild wehrte er sie ab, duckte sich, schlug zurück und galoppierte weiter. Er war einfach zu schnell und zu flink für seine schwerfälligen Gegner. Das hatten sie nicht erwartet. Als riesige dicht aufgestellte Armee konnten sie nicht schnell genug manövrieren, um ihn aufzuhalten. Er hörte das Zusammenprallen von Metall überall um ihn herum, Schläge hagelten aus allen Richtungen auf ihn herab. Er wehrte sie mit seinem Schild oder seinem eigenen Schwert ab, doch er konnte nicht allen ausweichen.
Ein Schwerthieb streifte ihn hart an der Schulter und er schrie vor Schmerz auf. Das Blut lief. Zum Glück war die Wunde doch nicht tief und hielt ihn nicht davon ab, weiter zu kämpfen. Thor kämpfte beidhändig. Er war umgeben von McCloud’s Kriegern und bald spürte er, wie die Angriffe auf ihn weniger wurden. Seine Waffenbrüder hatten ihn erreicht, und kämpften nun Seite an Seite mit ihm. Die Lautstärke des Kampfgeschehens schwoll weiter an. Schwerter krachten auf Schilde herab, Speere durchbohrten Rüstungen. Die kämpften mit allen Mitteln. Schreie ertönten auf beiden Seiten. Die jungen Krieger der Legion hatten den Vorteil, dass sie eine weitaus kleinere und beweglichere Gruppe bildeten.
Die Zehn schlugen und kämpften ihren Weg durch eine riesige schwerfällige Armee. Das Gelände formte einen Engpass, sodass nicht alle McCloud Krieger sie auf einmal erreichen konnten.
Thor fand sich meist im Kampf gegen zwei Männer gleichzeitig, manchmal sogar drei, doch selten mehr. Und seine Brüder hinter ihm beschützten ihn vor Angreifern, die ihm in den Rücken fallen wollten.
Als ein Krieger Thor in einer unaufmerksamen Sekunde attackierte und seine Keule in Richtung von Thors Kopf schwang, knurrte Krohn und stürzte dazwischen. Er sprang hoch in die Luft, ergriff das Handgelenk des Feindes, und riss es mit seinem starken Kiefer ab. Blut spritzte überall und zwang die Soldaten die Richtung zu wechseln.
Alles geschah wie in einem Nebel als Thor kämpfte und um sich schlug und in alle Richtungen parierte, jede Unze seiner Fähigkeiten nutzend, um sich zu verteidigen, anzugreifen, seine Brüder und sich selbst zu schützen.
Instinktiv rief er das, was er in den nicht enden wollenden Tagen seiner Ausbildung gelernt hatte, ab. Alles fühlte sich vollkommen natürlich an.
Sie hatten ihn gut ausgebildet und er konnte das, was er gelernt hatte, anwenden. Seine Angst war immer noch präsent, aber er fühlte sich in der Lage, sie zu kontrollieren. Als Thor kämpfte und kämpfte, und seine Arme schwer wurden und seine Schultern müde, klangen Kolk’s Worte in seinen Ohren: Der Feind wird niemals zu deinen Bedingungen kämpfen. Er tut es zu seinen Bedingungen. Krieg bedeutet Krieg für dich genauso wie für den Anderen.
Thor sah einen kurzen, breit gebauten Krieger mit einer Stachelkette die er hinter Reece’s Kopf schwang. Reece hatte es nicht kommen sehen, und im nächsten Moment würde er sterben.
Doch Thor sprang von seinem Pferd, und warf sich auf den Gegner, nur Sekundenbruchteile bevor dieser die Kette in Richtung von Reece’s Hinterkopf loslassen konnte. Sie fielen und landeten hart auf dem Boden in einer Staubwolke. Thor wand sich, außer Atem, während die Pferde um ihn herum trampelten. Er rang mit dem Krieger auf dem Boden, und als der Mann ansetzte, Thor mit seinen Daumen die Augen auszustechen, hörte Thor plötzlich einen wohlbekannten Schrei und sah wie sich Estopheles herabschwang und mit seinen Klauen die Augen des Mannes auskratzte. Gerade rechtzeitig, bevor er Thor verletzen konnte. Er schrie und schlug die Hände vors Gesicht und Thor wuchtete und schob in von sich.
Bevor Thor Gelegenheit hatte, in seinem Sieg zu schwelgen, spürte er einen harten Tritt in die Magengegend, dann einen Schlag auf den Rücken. Er blickte auf und sah einen Krieger einen zweihändigen Kriegshammer schwingen, genau in Richtung seiner Brust. Thor rollte sich ab. Der Hammer sauste an ihm vorbei und bohre sich bis zum Griff in die Erde. Er erkannte, dass dies seinen Tod hätte sein können.
Krohn stürzte sich auf den Mann, sprang vorwärts und bohrte seine Zähne in den Ellbogen des Mannes; der Krieger schlug nach Krohn, wieder und wieder. Aber Krohn ließ nicht los, knurrend, schüttelnd, zerrend, bis er schließlich den Arm aus dem Schultergelenk riss. Der Krieger schrie in wildem Schmerz auf und ging zu Boden.
Ein anderer Krieger warf sich nach vorn und schlug mit seinem Schwert nach Krohn, doch Thor rollte mit seinem Schild dazwischen, und wehrte den Schlag ab. Sein ganzer Körper bebte von der Wucht – doch er hatte damit Krohns Leben gerettet. Doch als Thor neben Krohn kniete, war er dem Angriff eines anderen schutzlos ausgeliefert.
Dieser ritt mit seinem Pferd über ihn, die Hufe trafen ihn und schlugen ihn nieder. Mit dem Gesicht voran fiel Thor in den Dreck. Er hatte das Gefühl, dass die Hufe jeden Knochen in seinem Körper gebrochen hatten.
Mehrere andere Krieger der McClouds sprangen von ihren Pferden und umringten Thor. Er erkannte, wie ungünstig seine Lage war. Da lag er auf dem Boden, in seinem Kopf hallte es vor Schmerzen. Aus dem Augenwinkel sah er einen anderen Jungen der Legion kämpfen, den er nicht kannte. Er stieß einen schrillen Schrei aus und Thor beobachtete wie ein Schwert seine Brust durchbohrte und er nach vorn zusammensank. Er war tot.
Ein anderer seiner Waffenbrüder, den er auch nicht näher kannte kam zu seiner Hilfe und tötete den Angreifer mit einem kraftvollen Stoß seines Speers. Doch zur gleichen Zeit stieß ein McCloud ihm von Hinten einen Dolch in den Hals. Der Junge gab ein gurgelndes Geräusch von sich und fiel tot zu Boden.
Thor wandte sich um und sah ein halbes Dutzend Krieger auf sich zustürzen. Einer hob sein Schwert, um es in sein Gesicht zu schlagen, und Thor hob den Arm und blockte den Schlag mit seinem Schild. Der Schlag hallte in seinen Ohren nach. Ein anderer trat mit seinem Stiefel Thor das Schild aus der Hand. Ein dritter trat auf sein Handgelenk und drückte es zu Boden. Ein vierter Angreifer trat vor, hob seinen Speer um ihn durch Thors Brust zu jagen.
Thor hörte ein Fauchen und Krohn sprang den Soldaten an, warf ihn zu Boden, und drückte ihn nieder. Ein anderer trat vor und Schlug mit einer Keule hart nach ihm. So hart, dass Krohn mit einem Jaulen vornüber fiel und auf der Seite liegen blieb. Ein anderer Krieger sprang mit einem Dreizack vor und diesmal war niemand da, um Thor zu schützen. Thor lag hilflos am Boden, und beobachtete wie sich der Dreizack auf ihn hinabsenkte.
Er war sich sicher – sein Ende war gekommen.
KAPITEL SIEBEN
Gwen kniete mit Illepra an Godfrey’s Seite in der engen Behausung und konnte es nicht mehr länger ertragen. Sie hatte seit Stunden dem Stöhnen ihres Bruders gelauscht, und Illepras Miene beobachtet, die sich immer weiter verdunkelte. Es schien sicher, dass er sterben würde. Sie fühlte sich so unglaublich hilflos, während sie so dasaß. Sie hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Irgendetwas.
Nicht nur, dass sie fast zerbrach an Schuldgefühlen und Sorge um Godfrey. Vielmehr noch sorgte sie sich um Thor. Sie konnte das Bild von ihm im Kampf nicht aus ihrem Kopf vertreiben – von Gareth in eine Falle geschickt, um zu sterben. Sie spürte, sie musste Thor in irgendeiner Weise helfen. Sie würde noch verrückt werden, wenn sie länger dasitzen würde.