Морган Райс - Ehre wem Ehre gebührt стр 8.

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Sie landete mit dem Gesicht im Fluss. Das Wasser färbte sich rot und sie wusste, dass es vorbei war. Ihr kurzes und schweres Leben war vorbei.

Doch ihr Junge würde für immer leben.

*

Die Bäuerin Mithka kniete am Ufer des Flusses neben ihrem Ehemann. Beide waren ganz in ihre Gebete versunken, denn diese erschienen ihnen die einzige Zuflucht in diesem unheimlichen Sturm. Es fühlte sich an, als sei das Ende der Welt gekommen. Der blutrote Mond allein war wie ein denkwürdiges Omen – doch in Verbindung mit solch einem Sturm war er mehr als nur unheimlich. So etwas hatte es zuvor noch nie gegeben. Etwas Bedeutsames war auf dem Weg, das wusste sie.

Sie knieten zusammen dort, Wind und Schnee schlug ihnen ins Gesicht und sie beteten, dass ihre Familie den Sturm sicher überstehen würde. Um Gnade. Für die Vergebung ihrer Sünden.

Mithka war eine fromme Frau und hatte viele Sonnenzyklen erlebt, zahlreichen Kinder das Leben geschenkt und ein gutes Leben gehabt. Ein armes doch gutes Leben. Sie war eine anständige Frau. Sie hatte sich um ihr Geschäft gekümmert, hatte sich um Andere gesorgt und hatte niemandem etwas zu Leide getan. Sie rief Gott an, damit er ihre Kinder, ihren Haushalt und ihre bescheidenen Habseligkeiten beschützen würde. Sie beugte sich nach vorne, platzierte ihren Handinnenflächen im Schnee, schloss ihre Augen und neigte ihr Haupt, sodass ihre Stirn den Boden berührte. Sie bat Gott, ihr ein Zeichen zu schicken.

Langsam hob sie ihren Kopf. Währenddessen weiteten sich ihre Augen und ihr Herz begann beim Anblick dessen, was sie vor sich erblickte, schneller zu schlagen.

„Murka!“ zischte sie.

Ihr Mann drehte sich zu ihr und blickte auf. Kniend und durchfroren starrten sie voller Erstaunen auf das, was sie dort sahen.

Das konnte nicht möglich sein. Sie blinzelte mehrere Male, sie bildete es sich nicht ein. Vor ihnen schwebte ein von der Strömung herbeigespültes Körbchen auf dem Wasser.

Und in dem Körbchen lag ein Baby.

Ein Junge.

Seine Schreie durchdrangen die Nacht, erhoben sich sogar über das Brausen des Sturms und das Krachen von Blitz und Donner und drangen ihr direkt ins Herz.

Sie sprang in den Fluss, watete durch das tiefe eisige Wasser, dessen messerartige Stiche ihr gleichgültig waren und angelte nach dem Körbchen. Sie blickte hinein und fand ein sorgfältig eingewickeltes Kind, das zu ihrer großen Überraschung völlig trocken war.

Sie untersuchte ihn eingehender und entdeckte das frische Brandmal auf seinem Arm – überrascht erkannte sie darin das Symbol zweier Schlangen, die einen Mond umkreisten. Ein Dolch rangte zwischen ihnen empor.

Sie hielt den Atem an; sie wusste sofort, was es zu bedeuten hatte. In alten Volksweisen und Legenden hatte sie von diesem Symbol gehört. Und sie fürchtete es.

Sie drehte sich zu ihrem Mann.

„Wer würde so etwas tun?“ fragte sie entsetzt als sie ihn fest an ihre Brust drückte.

Er konnte nur verwundert seinen Kopf schütteln.

„Wir müssen uns ihm annehmen“, entschied sie.

Ihr Mann legte seine Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.

„Wie sollen wir das anstellen?“ erwiderte er. „Wir können ihn nicht durchfüttern. Wir können uns selbst kaum ernähren. Wir haben schon drei Söhne – wozu brauchen wir noch einen vierten? Wir sind zu alt noch ein Kind aufzuziehen.“

Mithka dachte blitzschnell nach und zeigte ihm das Brandmal auf dem Arm des Kindes. Nach all den gemeinsamen Jahren wusste sie, wie sie ihren Mann überzeugen konnte. Er sah überzeugt aus.

„Da“, erwiderte sie. „Da hast du dein Zeichen. Ein Zeichen für uns“, sagte sie ernst. „Ich werde dieses Baby retten – ob es dir gefällt oder nicht. Ich werde ihn nicht dem Tod überlassen.“

Er sah immer noch skeptisch drein, wenn auch weniger entschlossen, als ein weiterer Blitz durch den Himmel zuckte und der Himmel ihn mit Furcht erfüllte.

„Glaubst du, das alles ist reiner Zufall?“ fragte er. „Ein solches Kind, das in solch einer Nacht geboren wird? Hast du irgendeine Ahnung, wen du da in deinen Armen hältst?“

Er blickte ängstlich zu dem Kind. Dann stand er auf und trat einen Schritt zurück. Schließlich drehte er sich um und trottete besorgt davon.

Mithka würde nicht nachgeben. Sie lächelte das Baby an und wiegte es an ihrer Brust, um sein kaltes Gesichtchen zu wärmen. Langsam beruhigte sich sein Weinen.

„Ein Kind so anders als wir alle“, antwortete sie, auch wenn niemand sie hörte und hielt ihn fest. „Ein Kind das die Welt verändern wird und das Royce heißen soll.“

TEIL ZWEI

KAPITEL VIER

17 Sonnenzyklen später

Royce stand auf einem Hügel unter dem weit und breit einzigen Eichenbaum in einer von Getreidefeldern beherrschten Landschaft. Ein alter Baum, dessen Geäst den Himmel zu erreichen schien. Er sah Genoveva von Liebe verzehrt tief in die Augen. Sie hielten sich bei den Händen, sie lächelte zurück, und als sie sich vorbeugten, um sich zu küssen, ward er von Ehrfurcht und Dankbarkeit erfüllt, dass sein Herz so voll sein konnte. Als die Morgendämmerung hereinbrach, wünschte sich Royce, dass er diesen Augenblick für immer festhalten könnte.

Royce richtete sich wieder auf und blickte sie an. Genoveva war bezaubernd. Sie war wie er siebzehn Jahre alt, groß, schlank und hatte fließendes blondes Haar und intelligente grüne Augen. Ein paar Sommersprossen zierten ihre anmutigen Züge. Sie hatte ein Lächeln, das ihm Lebenskraft schenkte und ein Lachen, dass ihm wohlig zumute wurde. Sie war mehr als nur das, sie hatte Liebreiz und einen Edelmut, der ihren Bauernstand weit übertraf.

Royce sah sein eigenes Bild in ihren Augen, und er staunte darüber, dass er aussah, als wären sie verwandt. Er war natürlich viel massiger als sie und für sein Alter ungewöhnlich groß, mit Schultern, die breiter waren als die seiner älteren Brüder, einem starken Kinn, einer reizenden Nase, einer hohen Stirn, einem Aufgebot an Muskeln, die sich auf seiner Tunika abzeichneten und regelmäßigen Zügen wie den ihren. Sein längliches blondes Haar fiel ihm fast in die Augen während seine haselnussgrünen Augen ihren glichen, auch wenn sie einen Ton dunkler waren. Er war mit Stärke gesegnet und mit einer Geschicklichkeit, das Schwert so wie seine Brüder zu führen, auch wenn er der jüngste unter ihnen war. Sein Vater hatte immer gescherzt, dass er vom Himmel gefallen sei, und Royce hatte es verstanden: seine Züge und sein Körperbau unterschieden sich von dem seiner Brüder. Er war wie ein Fremder in seiner eigenen Familie.

Sie umarmten sich, und es fühlte sich gut an, so fest von ihr umschlungen zu werden, jemanden zu haben, der ihn genauso liebte, wie er sie liebte. Beide waren sie seit Kindesbeinen unzertrennlich gewesen, waren zusammen aufgewachsen, hatten zusammen in diesen Felder gespielt und hatten sich schon damals geschworen, nach der Sonnenwende ihres siebzehnten Lebensjahres zu heiraten. Es war für sie als Kinder eine toternste Angelegenheit gewesen.

Als sie älter wurden, hatten sie sich nicht wie andere Kinder voneinander entfremdet, sondern waren sich Jahr um Jahr näher gekommen. Gegen jede Erwartung war aus ihrem Kinderspiel so etwas Ernsthafteres, Feierliches, Unzerbrechliches geworden, das mit jedem Jahr stärker wurde. Ihre Leben schienen dazu bestimmt, nicht auseinanderzulaufen.

Jetzt stand der langersehnte Tag unglaublicher Weise vor der Tür. Beide waren sie siebzehn, die Sommersonnenwende stand bevor, sie war erwachsen und konnten ihre eigenen Entscheidungen treffen. Als sie unter dem Baum standen und den Sonnenaufgang betrachteten, wussten sie beide, kribbelig aufgeregt, was das bedeuten sollte.

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