„Ich bin eine Macherin“, redete sie sich optimistisch ein.
„Ich werde dir beim Gießen helfen“, sagte Charlotte. Auch sie beäugte zweifelnd die limettengrüne Kanne. „Ich kann dir bei allem helfen, was du tun musst. Immerhin ist die Farm ein echt spaßiges Projekt.“
„Wirklich?“, fragte Olivia. Für sie fühlte es sich gerade eher entmutigend als spaßig an.
„Absolut. Mir hat die Landwirtschaftsidee schon immer gefallen. Als eine Tochter der Erde habe ich schon immer das Potenzial dazu in mir gespürt.“
Olivia blickte Charlotte dankbar an, aber erwischte sich dabei auch, wie sie dem Mann hinter ihrer Freundin in die funkelnden, braunen Augen starrte. Olivia fragte sich, wie lange er schon geduldig dort wartete, während sie sich durch die Regale wühlte, von ihrem Panikeinkauf völlig vereinnahmt.
„Sorry, wir halten Sie auf.“ Olivia versuchte, den Einkaufswagen so gut wie möglich zur Seite zu schieben, um ihn vorbeigehen zu lassen.
„Nein, kein bisschen. Ich hab’s nicht eilig.“ Er hielt inne und musterte sie genauer.
Olivia starrte zurück. Egal, wie beschäftigt sie auch mit ihren Einkäufen war, sie kam nicht umhin zu bemerken, dass er in etwa in ihrem Alter war, fit und stark wirkte und ein schelmisches Lächeln und außergewöhnlich gut gestyltes Haar hatte. Seine dunklen Haare waren perfekt getrimmt, mit einem leichten Zickzackscheitel und die Spitzen zu einwandfreien Stacheln gegelt. Sogar sein Dreitagebart war präzise getrimmt.
„Verzeihen Sie meine Neugier, signora“, sagte er. „Ich kenne nur eine Farm hier, die zum Verkauf steht. Sprechen Sie von dem Grundstück auf dem Berg, oberhalb der strada regionale?“
Er meinte die schmale Teerstraße, die von Collina zum nächsten, drei Meilen entfernt gelegenen Dorf führte, vermutete Olivia.
„Ja, genau die.“
„Ernsthaft? Sie haben sie gekauft?“ Sein Lächeln breitete sich zu einem ungläubigen Grinsen aus. „Dieses alte Ding?“
„Ja“, antwortete Olivia defensiv.
Lachte er sie etwa aus? Er war eindeutig ein Einheimischer, der die Gegend kannte. Wusste er etwas, von dem sie nichts wusste?
War ihre Investition etwa ein drastischer Fehler gewesen?, fragte sich Olivia mit einem Schaudern.
„Es ist eine wunderschöne Farm“, insistierte sie. „Die Aussicht ist wunderbar.“
Er hob fragend eine Augenbraue.
„Stimmt, ja, ein perfekter Ort für ein Ferienhaus.“
Doch nun starrte er in ihren Einkaufswagen.
„Aber Sie machen dort keinen Urlaub. Bauen Sie dort Wein an? Wein? Jetzt? An diesen Hängen?“
„Ja, ich werde heute Abend mit dem Pflanzen beginnen. Ich hoffe auf eine Ernte nächsten Sommer“, sagte Olivia.
Der Mann schüttelte fröhlich lachend den Kopf.
„Americanos! Was für ein Volk! Ich liebe es, wie verrückt Sie sind, so optimistisch. Keine Herausforderung zu groß! Hübsche Lady, ich wünsche Ihnen alles Gute – aber Sie werden mehr brauchen als meine Wünsche.“ Noch immer vor sich hin kichernd schlängelte er sich an dem Einkaufswagen vorbei zur Kasse.
Charlotte starrte ihm fragend nach.
„Hat er dich wegen etwas gewarnt?“, fragte sie.
Olivia zuckte die Schultern. „Ich glaube, er wollte uns nur ärgern“, sagte sie. Zumindest hoffte sie das.
Als sie sich den Inhalt ihres Wagens ansah, fiel ihr auf, dass diese Last-Minute-Shopping-Tour ein teures Vergnügen werden würde. Sie hoffte, dass sie mit all dem keine desaströse Entscheidung getroffen hatte.
Nachdem sie ihre Einkäufe in den winzigen Kofferraum ihres Fiats gezwängt hatten, fuhren sie zum Farmhaus zurück. Es war Hochsommer und sie hatten daher noch etwa dreieinhalb Stunden Tageslicht übrig, aber Olivia wusste, dass sie sich ins Zeug legen mussten. Sobald sie mit der Saat fertig waren, würden sie sich in dem Restaurant unten an der Straße mit Pizza und Wein belohnen.
Sie war froh, dass sie in dem staubigen, oberen Schlafzimmer eine alte Jogginghose verstaut hatte, da sie wusste, dass sie ein paar lottrige Klamotten brauchen würde, die sie anziehen konnte, wenn sie hier arbeitete.
Sie lief die Treppe hinauf, schälte sich aus ihrem Arbeitsrock und zog die ausgewaschene Stoffhose an. Sie trug sie für all ihre Arbeiten auf dem Grundstück und im Garten. Die Hose war nicht nur fleckig und schmutzig, sondern sie hatte auch ein großes Loch am Hinterteil, das sie sich an einem Rosenbusch eingehandelt hatte.
Olivia faltete ihren schicken Rock und das Jackett und legte sie auf den Fensterrahmen, welchen sie gestern saubergewischt hatte und welcher somit die einzige staubfreie Oberfläche im ganzen Haus war.
Sie hielt einen Moment inne und starrte aus dem Fenster.
Eines Tages würde dieser leere, hallende Raum ihr Schlafzimmer sein. Hier würde sie schlafen, das Zimmer erwärmt von den abendlichen Sonnenstrahlen, und nach dem Aufwachen über die morgendlichen Hügel blicken. Die hohe Decke und die geräumige Fläche wären perfekt für ein Doppelbett und einen gemütlichen Ohrensessel, zusammen mit einem rustikalen Schreibtisch und vielleicht einem riesigen, altmodischen Kleiderschrank.
Oder wären eingebaute Schrankwände einfacher?
Die Entscheidung quälte Olivia noch immer, und sie wusste, dass sie sie bald treffen werden müsste. Aber das war eine einfache Entscheidung, denn sie wusste, dass dabei nichts schiefgehen konnte und beide Optionen letztendlich funktionieren würden. Dasselbe galt für die Zimmerwände. Sollte sie den cremegoldfarbenen Ton einfach nur auffrischen oder sich für einen helleren Weißton entscheiden? Auch hier gab es keine falsche Antwort.
Wo sie die Samen pflanzen sollte, die sie gerade gekauft hatte, war allerdings eine schwere Entscheidung, denn es bestand die Möglichkeit, dass sie es vermasselte.
Von unten hörte sie Charlotte aufgeregt quieken.
Olivia lief die Treppe hinunter, um zu sehen, was passiert war.
„Schau, sie ist wieder da! Erinnerst du dich noch an die Katze von vor ein paar Tagen? Sie ist wieder hier. Vielleicht hatten die Leute, die die Decke ausgebessert hatten, sie eine Zeitlang verschreckt.“
„Oh, wie schön, dich zu sehen.“
Olivia beugte sich vor, wackelte mit den Fingern und redete der kleinen, nervösen, schwarzweißen Katze zu, die sich dieses verlassene Farmhaus anscheinend als Heim ausgesucht hatte. Sie war zwar scheu, aber nicht mehr so sehr wie zu Anfang. Sie hoffte wahrscheinlich auf etwas zu essen. Charlotte kramte in ihrer Handtasche nach einem Beutel mit Futter.
„Ich habe nur noch eins übrig.“
Triumphierend leerte sie den Inhalt in die Plastikschale, die sie gekauft und auf der Veranda stehengelassen hatte.
Während sie neben Charlotte stand, fiel Olivia auf, dass sie beide ein identisches, liebevolles Lächeln auf den Lippen hatten, während sie zusahen, wie die Katze hungrig ihr Abendessen verschlang. Egal, wie dringend das Pflanzen war, Olivia konnte sich einfach nicht von dem belohnenden Anblick losreißen, bis die Katze endlich den letzten Brocken aus der Schüssel geleckt hatte und mit einer zufriedenen Katzenwäsche begann.
„An die Arbeit“, verkündete sie.
Sie stöberte im Kofferraum, hob einen Sack Dünger heraus und griff wahllos eine Packung Samen.
„Vermentino also“, sagte sie. „Du wirst die Spitzenreitersaat auf der Glass-Farm werden.“
Sie begutachtete das Gelände.
„Logisch gedacht würde ich vorschlagen, sie etwas abseits zu pflanzen. Am Haus wird viel gearbeitet werden, und wir wollen sie nicht dort aussähen, wo womöglich Fahrzeuge fahren müssen oder Material geliefert wird.“
„Wie wäre es, wenn wir diese Charge ganz hinten auf der Rückseite der Farm anbauen, in der Nähe dieses Lagerhauses, dass verschlossen ist?“, schlug Charlotte vor.