Фридрих Ницше - Der Antichrist стр 4.

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Ich nehme ein Paar Skeptiker bei Seite, den anständigen Typus in der Geschichte der Philosophie: aber der Rest kennt die ersten Forderungen der intellektuellen Rechtschaffenheit nicht. Sie machen es allesammt wie die Weiblein, alle diese grossen Schwärmer und Wunderthiere, — sie halten die» schönen Gefühle «bereits für Argumente, den» gehobenen Busen «für einen Blasebalg der Gottheit, die Überzeugung für ein Kriterium der Wahrheit. Zuletzt hat noch Kant, in» deutscher «Unschuld, diese Form der Corruption, diesen Mangel an intellektuellem Gewissen unter dem Begriff» praktische Vernunft «zu verwissenschaftlichen versucht: er erfand eigens eine Vernunft dafür, in welchem Falle man sich nicht um die Vernunft zu kümmern habe, nämlich wenn die Moral, wenn die erhabne Forderung» du sollst «laut wird. Erwägt man, dass fast bei allen Völkern der Philosoph nur die Weiterentwicklung des priesterlichen Typus ist, so überrascht dieses Erbstück des Priesters, die Falschmünzerei vor sich selbst, nicht mehr. Wenn man heilige Aufgaben hat, zum Beispiel die Menschen zu bessern, zu retten, zu erlösen, wenn man die Gottheit im Busen trägt, Mundstück jenseitiger Imperative ist, so steht man mit einer solchen Mission bereits ausserhalb aller bloss verstandesmässigen Werthungen, — selbst schon geheiligt durch eine solche Aufgabe, selbst schon der Typus einer höheren Ordnung!… Was geht einen Priester die Wissenschaft an! Er steht zu hoch dafür! — Und der Priester hat bisher geherrscht! Er bestimmte den Begriff» wahr «und» unwahr«!…

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Unterschätzen wir dies nicht: wir selbst, wir freien Geister, sind bereits eine» Umwerthung aller Werthe«, eine leibhafte Kriegs- und Siegs-Erklärung an alle alten Begriffe von» wahr «und» unwahr«. Die werthvollsten Einsichten werden am spätesten gefunden; aber die werthvollsten Einsichten sind die Methoden. Alle Methoden, alle Voraussetzungen unsrer jetzigen Wissenschaftlichkeit haben Jahrtausende lang die tiefste Verachtung gegen sich gehabt, auf sie hin war man aus dem Verkehre mit» honnetten «Menschen ausgeschlossen, — man galt als» Feind Gottes«, als Verächter der Wahrheit, als» Besessener«. Als wissenschaftlicher Charakter war man Tschandala… Wir haben das ganze Pathos der Menschheit gegen uns gehabt — ihren Begriff von dem, was Wahrheit sein soll, was der Dienst der Wahrheit sein soll: jedes» du sollst «war bisher gegen uns gerichtet… Unsre Objekte, unsre Praktiken, unsre stille vorsichtige misstrauische Art — Alles schien ihr vollkommen unwürdig und verächtlich. — Zuletzt dürfte man, mit einiger Billigkeit, sich fragen, ob es nicht eigentlich ein ästhetischer Geschmack war, was die Menschheit in so langer Blindheit gehalten hat: sie verlangte von der Wahrheit einen pittoresken Effekt, sie verlangte insgleichen vom Erkennenden, dass er stark auf die Sinne wirke. Unsre Bescheidenheit gieng ihr am längsten wider den Geschmack… Oh wie sie das erriethen, diese Truthähne Gottes -

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Wir haben umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten den Menschen nicht mehr vom» Geist«, von der» Gottheit «ab, wir haben ihn unter die Thiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste Thier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren uns anderseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte: wie als ob der Mensch die grosse Hinterabsicht der thierischen Entwicklung gewesen sei. Er ist durchaus keine Krone der Schöpfung, jedes Wesen ist, neben ihm, auf einer gleichen Stufe der Vollkommenheit… Und indem wir das behaupten, behaupten wir noch zuviel: der Mensch ist, relativ genommen, das missrathenste Thier, das krankhafteste, das von seinen Instinkten am gefährlichste

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Weder die Moral noch die Religion berührt sich im Christenthume mit irgend einem Punkte der Wirklichkeit. Lauter imaginäre Ursachen (»Gott«,»Seele«,»Ich«»Geist«,»der freie Wille«— oder auch» der unfreie«); lauter imaginäre Wirkungen (»Sünde«,»Erlösung«,»Gnade«,»Strafe«,»Vergebung der Sünde«). Ein Verkehr zwischen imaginären Wesen (»Gott«»Geister«»Seelen«); eine imaginäre Naturwissenschaft (anthropocentrisch; völliger Mangel des Begriffs der natürlichen Ursachen) eine imaginäre Psychologie (lauter Selbst- Missverständnisse, Interpretationen angenehmer oder unangenehmer Allgemeingefühle, zum Beispiel der Zustände des nervus sympathicus mit Hülfe der Zeichensprache religiös-moralischer Idiosynkrasie, — »Reue«,»Gewissensbiss«,»Versuchung des Teufels«,»die Nähe Gottes«); eine imaginäre Teleologie (»das Reich Gottes«,»das jüngste Gericht«,»das ewige Leben«).

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