«— Den Grad der Strafe abmessen nach demGradderKenntnis,welchen man von der Historie eines Verbrechens hatoder überhaupt gewinnen kann, — streitet dies nicht wider alle Billigkeit?
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Der Tausch und die Billigkeit. — Bei einem Tausche würde es nur dann ehrlich und rechtlich zugehen, wenn jeder der beiden so viel verlangte, als ihm seine Sache wert scheint, die Mühe des Erlangens, die Seltenheit, die aufgewendete Zeit usw. in Anschlag gebracht, nebst dem Affektionswerte. Sobald er den Preisin Hinsicht auf das Bedürfnis des andernmacht, ist er ein feinerer Räuber und Erpresser. — Ist Geld das eine Tauschobjekt, so ist zu erwägen, daß ein Frankentaler in der Hand eines reichen Erben, eines Tagelöhners, eines Kaufmannes, eines Studenten ganz verschiedene Dinge sind: jeder wird, je nachdem er fast nichts oder viel tat, ihn zu erwerben, wenig oder viel dafür empfangen dürfen — so wäre es billig: in Wahrheit steht es bekanntlich umgekehrt. In der großen Geldwelt ist der Taler des faulsten Reichen gewinnbringender als der des Armen und Arbeitsamen.
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Rechtszustände als Mittel. — Recht, auf Verträgen zwischenGleichenberuhend, besteht, solange die Macht derer, die sich vertragen haben, eben gleich oder ähnlich ist; die Klugheit hat das Recht geschaffen, um der Fehde und dernutzlosenVergeudung zwischen ähnlichen Gewalten ein Ende zu machen. Dieser aber istebenso endgültigein Ende gemacht, wenn der eine Teil entschiedenschwächerals der anderegewordenist: dann tritt Unterwerfung ein, und das Rechthört auf,aber der Erfolg ist derselbe wie der, welcher bisher durch das Recht erreicht wurde. Denn jetzt ist es dieKlugheitdes Überwiegenden, welche die Kraft des Unterworfenen zuschonenund nicht nutzlos zu vergeuden anrät: und oft ist die Lage des Unterworfenen günstiger, als die des Gleichgestellten war. — Rechtszustände sind also zeitweiligeMittelwelche die Klugheit anrät, keine Ziele.
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Erklärung der Schadenfreude. — Die Schadenfreude entsteht daher, daß ein jeder in mancher ihm wohl bewußten Hinsicht sich schlecht befindet, Sorge oder Neid oder Schmerz hat: der Schaden, der den andern betrifft, stellt diesen ihm gleich, er versöhnt seinen Neid. — Befindet er gerade sich selber gut, so sammelt er doch das Unglück des nächsten als ein Kapital in seinem Bewußtsein auf, um es bei einbrechendem eigenen Unglück gegen dasselbe einzusetzen: auch so hat er» Schadenfreude«. Die auf Gleichheit gerichtete Gesinnung wirft also ihren Maßstab aus auf das Gebiet des Glücks und des Zufalls: Schadenfreude ist der gemeinste Ausdruck über den Sieg und die Wiederherstellung der Gleichheit, auch innerhalb der höheren Weltordnung. Erst seitdem der Mensch gelernt hat, in anderen Menschen seinesgleichen zu sehen, also erst seit Begründung der Gesellschaft gibt es Schadenfreude.
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Das Willkürliche im Zumessen der Strafen. — Die meisten Verbrecher kommen zu ihren Strafen wie die Weiber zu ihren Kindern. Sie haben zehn- und hundertmal dasselbe getan, ohne üble Folgen zu spüren: plötzlich kommt eine Entdeckung und hinter ihr die Strafe. Die Gewohnheit sollte doch die Schuld der Tat, derentwegen der Verbrecher gestraft wird, entschuldbarer erscheinen lassen: es ist ja ein Hang entstanden, dem schwerer zu widerstehen ist. Anstatt dessen wird er, wenn der Verdacht des gewohnheitsmäßigen Verbrechens vorliegt, härter gestraft, die Gewohnheit wird als Grund gegen alle Milderung geltend gemacht. Umgekehrt: eine musterhafte Lebensweise, gegen welche das Verbrechen um so fürcherlicher absticht, sollte die Schuldbarkeit verschärft erscheinen lassen! Aber sie pflegt die Strafe zu mildern. So wird alles nicht nach dem Verbrecher bemessen, sondern nach der Gesellschaft und deren Schaden und Gefahr: frühere Nützlichkeit eines Menschen wird gegen seine einmalige Schädlichkeit eingerechnet, frühere Schädlichkeit zur gegenwärtig entdeckten addiert, und demnach die Strafe am höchsten zugemessen. Wenn man aber dergestalt die Vergangenheit eines Menschen mit straft oder mit belohnt (dies im ersten Fall, wo das Weniger-Strafen ein Belohnen ist) so sollte man noch weiter zurückgehn und die Ursache einer solchen oder solchen Vergangenheit strafen und belohnen, ich meine Eltern, Erzieher, die Gesellschaft usw.: in vielen Fällen wird man dann dieRichterirgendwie bei der Schuld beteiligt finden. Es ist willkürlich, beim Verbrecher stehen zu bleiben, wenn man die Vergangenheit straft: man sollte, falls man die absolute Entschuldbarkeit jeder Schuld nicht zugeben will, bei jedem einzelnen Fall stehnbleiben und nicht weiter zurückblicken: also die Schuld isolieren und sie gar nicht mit der Vergangenheit in Verknüpfung bringen, — sonst wird man zum Sünder gegen die Logik. Zieht vielmehr, ihr Willens-Freien, den notwendigen Schluß aus eurer Lehre von der» Freiheit des Willens «und dekretiert kühnlich:» keine Tat hat eine Vergangenheit.»
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Der Neid und sein edlerer Bruder. — Wo die Gleichheit wirklich durchgedrungen und dauernd begründet ist, entsteht jener, im ganzen als unmoralisch geltende Hang, der im Naturzustande kaum begreiflich wäre: derNeid.Der Neidische fühlt jedes Hervorragen des anderen über das gemeinsame Maß und will ihn bis dahin herabdrücken — oder sich bis dorthin erheben: woraus sich zwei verschiedene Handlungsweisen ergeben, welche Hesiod als die böse und die gute Eris bezeichnet hat. Ebenso entsteht im Zustande der Gleichheit die Indignation darüber, daß es einem anderenunterseiner Würde und Gleichheit schlecht ergeht, einem zweitenüberseiner Gleichheit gut: es sind dies AffekteedlererNaturen. Sie vermissen in den Dingen, welche von der Willkür des Menschen unabhängig sind, Gerechtigkeit und Billigkeit, das heißt: sie verlangen, daß jene Gleichheit, die der Mensch anerkennt, nun auch von der Natur und dem Zufall anerkannt werde; sie zürnen darüber, daß es den Gleichen nicht gleich ergeht.
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Neid der Götter. — Der» Neid der Götter «entsteht, wenn der niedriger Geachtete sich irgend worin dem Höheren gleichsetzt (wie Ajax) oder durch Gunst des Schicksals ihm gleichgesetzt wird (wie Niobe als überreich gesegnete Mutter). Innerhalb dergesellschaftlichenRangordnung stellt dieser Neid die Forderung auf, daß ein jeder kein Verdienstüberseinem Stande habe, auch daß sein Glück diesem gemäß sei und namentlich daß sein Selbstbewußtsein jenen Schranken nicht entwachse. Oft erfährt der siegreiche General den» Neid der Götter«, ebenso der Schüler, der ein meisterliches Werk schuf.
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Eitelkeit als Nachtrieb des ungesellschaftlichen Zustandes.