Der Freigeist - Лессинг Готхольд Эфраим страница 3.

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Adrast. Juliane? Sagen Sie das nicht. Ihre Vollkommenheiten fallen vielleicht nur weniger in die Augen. Ihre Schönheit blendet nicht; aber sie geht ans Herz. Man läßt sich gern von ihren stillen Reizen fesseln, und man biegt sich mit Bedacht in ihr Joch, das uns andere in einer fröhlichen Unbesonnenheit überwerfen müssen. Sie redet wenig; aber auch ihr geringstes Wort hat Vernunft.

Lisidor. Und Henriette?

Adrast. Es ist wahr: Henriette weiß sich frei und witzig auszudrücken. Würde es aber Juliane nicht auch können, wenn sie nur wollte, und wenn sie nicht Wahrheit und Empfindung jenem prahlenden Schimmer vorzöge? Alle Tugenden scheinen sich in ihrer Seele verbunden zu haben—

Lisidor. Und Henriette?

Adrast. Es sei ferne, daß ich Henrietten irgend eine Tugend absprechen sollte. Aber es gibt ein gewisses Äußeres, welches sie schwerlich vermuten ließe, wenn man nicht andre Gründe für sie hätte. Julianens gesetzte Anmut, ihre ungezwungene Bescheidenheit, ihre ruhige Freude, ihre—

Lisidor. Und Henriettens?

Adrast. Henriettens wilde Annehmlichkeiten, ihre wohl lassende

Dreustigkeit, ihre fröhlichen Entzückungen stechen mit den gründlichen

Eigenschaften ihrer Schwester vortrefflich ab. Aber Juliane gewinnt

dabei—

Lisidor. Und Henriette?

Adrast. Verlieret dabei nichts. Nur daß Juliane—

Lisidor. Ho! ho! Herr Adrast, ich will doch nicht hoffen, daß Sie auch an der Narrheit krank liegen, welche die Leute nur das für gut und schön erkennen läßt, was sie nicht bekommen können. Wer Henker hat Sie denn gedungen, Julianen zu loben?

Adrast. Fallen Sie auf nichts Widriges. Ich habe bloß zeigen wollen, daß mich die Liebe für meine Henriette gegen die Vorzüge ihrer Schwester nicht blind mache.

Lisidor. Nu, nu! wenn das ist, so mag es hingehen. Sie ist auch gewiß ein gutes Kind, die Juliane. Sie ist der Augapfel ihrer Großmutter. Und das gute, alte Weib hat tausendmal gesagt, die Freude über ihr Julchen erhielte sie noch am Leben.

Adrast. Ach!

Lisidor. Das war ja gar geseufzt. Was Geier ficht Ihn an? Pfui! Ein junger gesunder Mann, der alle Viertelstunden eine Frau nehmen will, wird seufzen? Spare Er Sein Seufzen, bis Er die Frau hat!

Vierter Auftritt

Johann. Adrast. Lisidor.

Johann. Pst! Pst!

Lisidor. Nu? Nu?

Johann. Pst! Pst!

Adrast. Was gibt's?

Johann. Pst! Pst!

Lisidor. Pst! Pst! Mosjeu Johann. Kann der Schurke nicht näher kommen?

Johann. Pst, Herr Adrast! Ein Wort im Vertrauen.

Adrast. So komm her!

Johann. Im Vertrauen, Herr Adrast.

Lisidor (welcher auf ihn zu geht). Nun? was willst du?

Johann (geht auf die andre Seite). Pst! Herr Adrast, nur ein

Wörtchen, ganz im Vertrauen!

Adrast. So pack dich her, und rede.

Lisidor. Rede! rede! Was kann der Schwiegersohn haben, das der

Schwiegervater nicht hören dürfte?

Johann. Herr Adrast! (Zieht ihn an dem Ärmel beiseite.)

Lisidor. Du Spitzbube, willst mich mit aller Gewalt vom Platze haben.

Rede nur, rede! ich gehe schon.

Johann. Oh! Sie sind gar zu höflich. Wenn Sie einen kleinen Augenblick dort in die Ecke treten wollen: so können Sie immer da bleiben.

Adrast. Bleiben Sie doch! ich bitte.

Lisidor. Nu! wenn ihr meint—(indem er auf sie zu kömmt).

Adrast. Nun sage, was willst du?

Johann (welcher sieht, daß ihm Lisidor wieder nahe steht). Nichts.

Adrast. Nichts?

Johann. Nichts, gar nichts.

Lisidor. Das Wörtchen im Vertrauen, hast du es schon wieder vergessen?

Johann. Potz Stern! sind Sie da? Ich denke, Sie stehen dort im

Winkel.

Lisidor. Narre, der Winkel ist näher gerückt.

Johann. Daran hat er sehr unrecht getan.

Adrast. Halte mich nicht länger auf, und rede.

Johann. Herr Lisidor, mein Herr wird böse.

Adrast. Ich habe vor ihm nichts Geheimes: rede!

Johann. So habe ich auch nichts für Sie.

Lisidor. Galgendieb, ich muß dir nur deinen Willen tun.—Ich gehe auf meine Stube, Adrast: wenn Sie zu mir kommen wollen—

Adrast. Ich werde Ihnen gleich folgen.

Fünfter Auftritt

Johann. Adrast,

Johann. Ist er fort?

Adrast. Was hast du mir denn zu sagen? Ich wette, es ist eine

Kleinigkeit; und der Alte wird sich einbilden, daß es Halssachen sind.

Johann. Eine Kleinigkeit? Mit einem Worte, Herr Adrast, wir sind verloren. Und Sie konnten verlangen, daß ich es in Gegenwart des Lisidors sagen sollte?

Adrast. Verloren? Und wie denn? Erkläre dich.

Johann. Was ist da zu erklären? Kurz, wir sind verloren.—Aber so unvorsichtig hätte ich mir Sie doch nimmermehr eingebildet, daß Sie es sogar Ihren künftigen Schwiegervater wollten hören lassen—

Adrast. So laß mich es nur hören—

Johann. Wahrhaftig, er hätte die Lust auf einmal verlieren können, es jemals zu werden.—So ein Streich!

Adrast. Nun? was denn für ein Streich? Wie lange wirst du mich noch martern?

Johann. Ein ganz verdammter Streich.—Ja, ja! wenn der Bediente nicht oft behutsamer wäre, als der Herr: es würden artige Dinge herauskommen.

Adrast. Nichtswürdiger Schlingel—

Johann. Ho, ho! ist das mein Dank? Wenn ich es doch nur gesagt hätte, wie der Alte da war. Wir hätten wollen sehen! wir hätten wollen sehen—

Adrast. Daß dich dieser und jener—

Johann. Ha, ha! nach dem diesen und jenen wird nicht mehr gefragt.

Ich weiß doch wohl, daß Sie den Teufel meinen, und daß keiner ist.

Ich müßte wenig von Ihnen gelernt haben, wenn ich nicht der ganzen

Hölle ein Schnippchen schlagen wollte.

Adrast. Ich glaube, du spielst den Freigeist? Ein ehrlicher Mann möchte einen Ekel davor bekommen, wenn er sieht, daß es ein jeder Lumpenhund sein will.—Aber ich verbiete dir nunmehr, mir ein Wort zu sagen. Ich weiß doch, daß es nichts ist.

Johann. Ich sollte es Ihnen nicht sagen? Ich sollte Sie so in Ihr

Unglück rennen lassen? Das wollen wir sehen.

Adrast. Gehe mir aus den Augen!

Johann. Nur Geduld!—Sie erinnern sich doch wohl so ohngefähr, wie

Sie Ihre Sachen zu Hause gelassen haben?

Adrast. Ich mag nichts wissen.

Johann. Ich sage Ihnen ja auch noch nichts.—Sie erinnern sich doch wohl auch der Wechsel, die Sie an den Herrn Araspe vor Jahr und Tag ausstellten?

Adrast. Schweig, ich mag nichts davon hören.

Johann. Ohne Zweifel, weil Sie sie vergessen wollen? Wenn sie nur dadurch bezahlt würden.—Aber wissen Sie denn auch, daß sie verfallen sind?

Adrast. Ich weiß, daß du dich nicht darum zu bekümmern hast.

Johann. Auch das verbeiße ich.—Sie denken freilich: Weit davon, ist gut für den Schuß; und Herr Araspe hat eben nicht nötig, so sehr dahinterher zu sein. Aber, was meinen Sie, wenn ich den Herrn Araspe—

Adrast. Nun was?

Johann. Jetzt den Augenblick vom Postwagen hätte steigen sehen?

Adrast. Was sagst du? Ich erstaune—

Johann. Das tat ich auch, als ich ihn sah.

Adrast. Du, Araspen gesehen? Araspen hier?

Johann. Mein Herr, ich habe mich auf den Fuß gesetzt, daß ich Ihre und meine Schuldner gleich auf den ersten Blick erkenne; ja ich rieche sie schon, wenn sie auch noch hundert Schritt von mir sind.

Adrast (nachdem er nachgedacht). Ich bin verloren!

Johann. Das war ja mein erstes Wort.

Adrast. Was ist anzufangen?

Johann. Das beste wird sein: wir packen auf, und ziehen weiter.

Adrast. Das ist unmöglich.

Johann. Nun so machen Sie sich gefaßt, zu bezahlen.

Adrast. Das kann ich nicht; die Summe ist zu groß.

Johann. Oh! ich sagte auch nur so.—Sie sinnen?

Adrast. Doch wer weiß auch, ob er ausdrücklich meinetwegen hergekommen ist. Er kann andre Geschäfte haben.

Johann. Je nu! so wird er das Geschäfte mit Ihnen so beiher treiben.

Wir sind doch immer geklatscht.

Adrast. Du hast recht.—Ich möchte rasend werden, wenn ich an alle die Streiche gedenke, die mir ein ungerechtes Schicksal zu spielen nicht aufhört.—Doch wider wen murre ich? Wider ein taubes Ohngefähr? Wider einen blinden Zufall, der uns ohne Absicht und ohne Vorsatz schwerfällt? Ha! nichtswürdiges Leben!—

Johann. Oh! lassen Sie mir das Leben ungeschimpft. So einer

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