Der Freigeist - Лессинг Готхольд Эфраим страница 4.

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Kleinigkeit wegen sich mit ihm zu überwerfen, das wäre was Gescheutes!

Adrast. So rate mir doch, wenn du es für eine Kleinigkeit ansiehst.

Johann. Fällt Ihnen im Ernste kein Mittel ein?—Bald werde ich Sie gar nicht mehr für den großen Geist halten, für den ich Sie doch immer gehalten habe. Fortgehen wollen Sie nicht; bezahlen können Sie nicht: was ist denn noch übrig?

Adrast. Mich ausklagen zu lassen.

Johann. O pfui! Worauf ich gleich zuerst fallen würde, wenn ich auch bezahlen könnte—

Adrast. Und was ist denn das?

Johann. Schwören Sie den Bettel ab.

Adrast (mit einer bittern Verachtung). Schurke!

Johann. Wie? Was bin ich? So einen brüderlichen Rat—

Adrast. Ja wohl ein brüderlicher Rat, den du nur deinen Brüdern,

Leuten deinesgleichen, geben solltest.

Johann. Sind Sie Adrast? Ich habe Sie wohl niemals über das Schwören spotten hören?

Adrast. Über das Schwören, als Schwören, nicht aber als eine bloße Beteurung seines Wortes. Diese muß einem ehrlichen Manne heilig sein, und wenn auch weder Gott noch Strafe ist. Ich würde mich ewig schämen, meine Unterschrift geleugnet zu haben, und ohne Verachtung meiner selbst, nie mehr meinen Namen schreiben können.

Johann. Aberglauben über Aberglauben. Zu einer Türe haben Sie ihn herausgejagt, und zu der andern lassen Sie ihn wieder herein.

Adrast. Schweig! ich mag dein lästerliches Geschwätze nicht anhören. Ich will Araspen aufsuchen. Ich will ihm Vorstellungen tun; ich will ihm von meiner Heirat sagen; ich will ihm Zinsen über Zinsen versprechen.—Ich treffe ihn doch wohl noch in dem Posthause?

Johann. Vielleicht.—Da geht er, der barmherzige Schlucker. Das Maul ist groß genug an ihm; aber wenn es dazu kömmt, daß er das, was er glaubt, mit Taten beweisen soll, da zittert das alte Weib! Wohl dem, der nach seiner Überzeugung auch leben kann! So hat er doch noch etwas davon. Ich sollte an seiner Stelle sein.—Doch ich muß nur sehen, wo er bleibt.

(Ende des ersten Aufzugs.)

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Juliane. Henriette. Lisette.

Lisette. Vor allen Dingen, meine lieben Mamsells, ehe ich Ihre kleine Streitigkeit schlichte, lassen Sie uns ausmachen, welcher von Ihnen ich heute zugehöre. Sie wissen wohl, Ihre Herrschaft über mich ist umzechig. Denn weil es unmöglich sein soll, zweien Herren zu dienen, So hat Ihr wohlweiser Papa—neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich! —so hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbedächtig mich damit verschonen wollen, das Unmögliche möglich zu machen. Er hat jede von Ihnen einen Tag um den andern zu meiner hauptsächlichen Gebieterin gemacht; so daß ich den einen Tag der sanften Juliane ehrbares Mädchen, und den andern der muntern Henriette wilde Lisette sein muß. Aber jetzt, seitdem die fremden Herren im Hause sind—

Henriette. Unsre Anbeter meinst du—

Lisette. Ja, ja! Ihre Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden Ehemänner sein werden—Seitdem, sage ich, diese im Hause sind, geht alles drüber und drunter; ich werde aus einer Hand in die andere geschmissen; und ach! unsere schöne Ordnung liegt mit dem Nähzeuge, das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben, unterm Nachttische. Hervor wieder damit! Ich muß wissen, woran ich mit Ihnen bin, wenn ich ein unparteiisches Urteil fällen soll.

Henriette. Das wollen wir bald ausrechnen.—Du besinnst dich doch wohl auf den letzten Feiertag, da dich meine Schwester mit in die

Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit mir auf unser

Vorwerk gefahren wärest? Du warst damals sehr strenge, Juliane!—

Juliane. Ich habe doch wohl nicht einer ehrlichen Seele einen vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?

Henriette. Lisette—

Lisette. Stille, Mamsell Henriette! nicht aus der Schule geschwatzt, oder—

Henriette. Mädchen drohe nicht! Du weißt wohl, ich habe ein gut Gewissen.

Lisette. Ich auch.—Doch lassen Sie uns nicht das Hundertste ins Tausendste schwatzen.—Recht! an den Feiertag will ich gedenken! Er war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den Abend kam Theophan an.

Henriette. Und also, mit Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute meine.

Juliane. Ohne Widerrede.

Lisette. Juchhei! Mamsellchen. Ich bin also heute Ihre: Juchhei!

Juliane. Ist das dein Lösungswort unter ihrer Fahne?

Lisette. Ohne weitre Umstände: erzählen Sie mir nunmehr Ihre

Streitigkeit.—Unterdessen lege ich mein Gesicht in richterliche

Falten.

Juliane. Streitigkeit? Eine wichtige Streitigkeit? Ihr seid beide

Schäkerinnen.—Ich will nichts mehr davon hören.

Henriette. So? Du willst keinen Richter erkennen? Ein klarer Beweis, daß du unrecht hast.—Höre nur, Lisette! wir haben über unsre Anbeter gezankt. Ich will die Dinger immer noch so nennen, mag doch zuletzt daraus werden, was da will.

Lisette. Das dachte ich. Über was könnten sich zwei gute Schwestern auch sonst zanken? Es ist freilich verdrießlich, wenn man sein künftiges Haupt verachten hört.

Henriette. Schwude! Mädchen; du willst ganz auf die falsche Seite. Keine hat des andern Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher, weil eine des andern Anbeter—schon wieder Anbeter!—allzusehr erhob.

Lisette. Eine neue Art Zanks! wahrhaftig, eine neue Art!

Henriette. Kannst du es anders sagen, Juliane?

Juliane. Oh! verschone mich doch damit.

Henriette. Hoffe auf kein Verschonen, wenn du nicht widerrufst.—Sage, Lisette, hast du unsre Männerchen schon einmal gegeneinander gehalten? Was dünkt dich? Juliane macht ihren armen Theophan herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer wäre.

Juliane. Unartige Schwester! Wann habe ich dieses getan? Mußt du aus einer flüchtigen Anmerkung, die du mir gar nicht hättest aufmutzen sollen, solche Folgen ziehen?

Henriette. Ich seh, man muß dich böse machen, wenn du mit der Sprache heraus sollst.—Eine flüchtige Anmerkung nennst du es? Warum strittest du denn über ihre Gründlichkeit?

Juliane. Du hast doch närrische Ausdrücke! Fingst du nicht den ganzen Handel selbst an? Ich glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln würde, wenn ich deinen Adrast den wohlgemachtesten Mann nennte, den ich jemals gesehen hätte. Du hättest mir für meine Gesinnungen danken, nicht aber widersprechen sollen.

Henriette. Sieh, wie wunderlich du bist! Was war mein Widerspruch anders, als ein Dank? Und wie konnte ich mich nachdrücklicher bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf deinen Theophan zurückschob?—

Lisette. Sie hat recht!

Juliane. Nein, sie hat nicht recht. Denn eben dieses verdroß mich. Muß sie auf einen so kindischen Fuß mit mir umgehen? Sahe sie mich nicht dadurch für ein kleines spielendes Mädchen an, das zu ihr gesagt hätte: Deine Puppe ist die schönste; und dem sie also, um es nicht böse zu machen, antworten müßte: Nein, deine ist die schönste?

Lisette. Nun hat sie recht!

Henriette. Oh! geh, du bist eine artige Richterin. Hast du schon vergessen, daß du mir heute angehörst?

Lisette. Desto schärfer eben werde ich gegen Sie sein, damit ich nicht parteiisch lasse.

Juliane. Glaube mir nur, daß ich bessere Eigenschaften an einer Mannsperson zu schätzen weiß, als seine Gestalt. Und es ist genug, daß ich diese bessern Eigenschaften an dem Theophan finde. Sein Geist- -

Henriette. Von dem ist ja nicht die Rede. Jetzt kömmt es auf den

Körper an, und dieser ist an dem Theophan schöner, du magst sagen, was

du willst. Adrast ist besser gewachsen: gut; er hat einen schönern

Fuß: ich habe nichts dawider. Aber laß uns auf das Gesicht kommen.—

Juliane. So stückweise habe ich mich nicht eingelassen.

Henriette. Das ist eben dein Fehler.—Was für ein Stolz, was für eine Verachtung aller andern blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene! Du wirst es Adel nennen; aber machst du es dadurch schön? Umsonst sind seine Gesichtszüge noch so regelmäßig: sein Eigensinn, seine Lust zum Spotten hat eine gewisse Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen recht häßlich läßt. Aber ich will sie ihm gewiß herausbringen: laß nur die Flitterwochen erst vorbei sein.—Dein Theophan hingegen hat das liebenswürdigste Gesicht von der Welt. Es herrscht eine Freundlichkeit darin, die sich niemals verleugnet.—

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