Bjørnson Bjørnstjerne - Auf Gottes Wegen стр 14.

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"Der Fehler ist," sagte Edvard, "daß in die Geschichten, die von Samson handeln, überhaupt erst Sinn kommt, wenn man weiß, daß er der Sonnengott war." – "Ach! Heutzutag müssen ja sämtliche Ahnen und Urgeschichten aller Völker irgendwie auf die Sonnensage Bezug haben!" Und Ole gab ein paar amüsante Parodien auf diese wissenschaftliche Mode zum besten. Allgemeine Heiterkeit; auch Josefine lachte. Sofort geriet Edvard in Eifer und begann auseinanderzusetzen: als sich bei uns eine neue Religion bildete, da wurden unsere eigenen Götter, die ursprünglich indische Sonnengötter waren, zu Stammvätern; ihre Altäre, an denen das Volk geopfert hatte, wurden in Grabstätten umgewandelt. Auf diese Weise wurden auch die alten Sonnengötter der Juden umgewandelt in Stammväter, als der Jahvekultus sie als Götter verdrängte. – "So? Und woher will man denn das wissen?" – "Wissen? Mach' doch die Probe mit Samson! Wie sinnlos, zu glauben, daß die Stärke eines Menschen in seinen Haaren liegen kann! Sobald wir aber davon ausgehen, daß es die Sonnenstrahlen sind – zur Sommerzeit lang, im Schoß des Winters kurz geschnitten – kommt Sinn in die Sache. Und wenn die Strahlen gegen das Frühjahr hin wieder wuchsen – nicht wahr? – da konnte der Sonnengott wiederum die Säulen der Welt umfassen!… Nie haben Bienen Honig gesammelt in einem Aas; wenn wir aber hören, daß es – so oft die Sonne durch ein Himmelszeichen ging, z. B. durch den Löwen, – hieß: die Sonne schlug den Löwen – ja, dann verstehen wir, daß die Bienen Honig im Aas des erschlagenen Löwen sammelten, d. h. in der wärmsten Zeit des Sommers."

Jetzt waren alle ganz Ohr, und Josefine war im höchsten Grade verwundert. Sie sah nicht zu ihrem Bruder auf, denn sie merkte, daß er sie ansah; aber es war nicht mißzuverstehen: was Edvard anfänglich ohne jeden andern Gedanken als den, ein bißchen zu protzen, begonnen hatte, das erhielt eine bestimmte Bedeutung dadurch, daß Josefine zwischen ihnen stand. "Bei den Ägyptern", erzählte er, "begann der Frühling, wenn die Sonne das Lamm schlachtete, d. h. durch das Zeichen des Lammes ging, und aus Freude über die Erneuerung schlachteten alle ägyptischen Familien an diesem Tag ein Lamm. Von ihnen haben es die Juden. Wenn die Juden dies später zu etwas umgewandelt haben, das sie von den Ägyptern unterscheiden sollte, so ist das eine Fälschung. Gerade wie mit der Beschneidung; auch die haben sie aus Ägypten. Aber so was verschweigen die Herren Pfaffen."

Von all dem wußte Ole Tuft wenig oder nichts. Sein eifriges Studium hatte sich streng auf die Theologie beschränkt; er hatte auch gar keine Zeit zu anderen Dingen und sein Glaube war altes Bauernerbe und in sich selbst viel zu gefestigt, um sich mit wissenschaftlichen Zweifeln abzugeben. Hätte er das nun geradeheraus gesagt, so wäre kaum weiter etwas daraus entstanden. Aber auch er fühlte, daß Josefine zwischen ihnen stand und sich bestechen ließ. So begann er voll Hohn alles als bloße Erdichtung zu bezeichnen, die heute glänzt und morgen zergeht.

Das ertrug die Eitelkeit des andern nicht! "Den Theologen fehlt es ganz einfach an der primitivsten Ehrlichkeit", schrie er. "Sie verschweigen, daß die wichtigsten Teile ihres Glaubens nicht den Juden offenbart, sondern einfach irgendwo anders hergenommen sind. So der Unsterblichkeitsglaube. Der stammt aus Ägypten. Ebenso die Gebote. Kein Mensch klettert einen hohen Berg hinauf, um sich unter Donner und Blitz offenbaren zu lassen, was die Leute schon tausend Jahre lang gewußt haben. Woher stammt der Teufel? Woher die Strafen der Hölle? Woher der jüngste Tag und das Gericht? Woher die Engel? Die Juden haben von all dem nichts gewußt. Die Pfaffen sind – na, einfach Leute, die nicht ehrlich nachforschen und dem Volk derartiges weismachen!" Josefine senkte den Kopf; die Jugend, besonders die männliche, war offenbar auf Kallems Seite. Freidenkertum war Mode; und sich ein bißchen über den angestammten Glauben lustig machen, war ganz vergnüglich.

Ein junger Mann ergoß seinen Spott über die Schöpfungsgeschichte; Kallem besaß geologische und paläontologische Kenntnisse und wußte sie gut anzubringen. Dabei konnte Ole Tuft noch weniger mit; er erwähnte bloß ein paar Versuche, die hier und dort gemacht worden waren, die Bibellehre mit gewissen neueren Entdeckungen in Einklang zu bringen. Aber er kam schlecht weg dabei. Und nun ging's, Trumpf über Trumpf, von einem Dogma zum andern; am längsten stritten sie sich über die Lehre von der Versöhnung; die stamme aus einer Zeit, so uralt, so roh, daß noch nicht einmal die persönliche Verantwortlichkeit des Individuums existierte, bloß die des Stammes und der Familie. Tuft war verzweifelt; jetzt galt es! Mit lauter Stimme, bewegt und kraftvoll, fing er an, seinen Glauben zu bekennen. Als ob das was helfen konnte! Behauptungen – Behauptungen! Bring uns die Beweise! Zu spät erkannte Ole Tuft, daß er zu viel verteidigt und darum alles verloren hatte. Er empfand ein tiefes Weh; er kämpfte ohne Hoffnung, aber er kämpfte dennoch und rief es laut in alle Welt hinaus: wenn auch nur eine dieser Wahrheiten zweifelhaft erscheine, so trage allein er die Schuld; er sei zu schwach, sie zu verteidigen. Aber Gottes Wort bleibe unangetastet bestehen, bis ans Ende der Welt! – Ja, aber was denn eigentlich Gottes Wort sei? – Gottes Wort – das sei die Bibel, in ihrer Ganzheit und ihrem Geist, die Schöpfung (oho!), der Sündenfall (hört! hört!), der Erlösungstod (hört! hört! hört!) – — – Er schrie, die andern schrien, Tränen traten ihm in die Augen; seine Stimme zitterte; er war bleich und schön.

Ganz so unbarmherzig wie Kinder sind junge Leute nicht; aber doch auf dieselbe Art. Einigen tat Ole leid; andere wollten ihn jetzt erst recht "reinlegen" – und vor allen Edvard Kallem.

Josefine aber machte sich heimlich zu der Brünette mit der Sopranstimme. Und augenblicklich stimmte diese eins ihrer Lieder an, und die andern fielen nach und nach ein – die Herren ein bißchen später als die Damen. Die Gesellschaft bestand zufällig – bis auf wenige Ausnahmen – aus einem Damen- und Herrenchor, die in den drei letzten Wintern mit einem Fleiß und einer Eintracht geübt hatten, wie das nur in einer kleinen Stadt möglich ist.

Josefine setzte sich mitten auf den Hügel; die anderen um sie herum. Sie sang nicht mit; sie war mit ihren Blumen beschäftigt.

Die ganze Gesellschaft war mit dem Schiff hergekommen, das dort unten so heiter in der Sonne lag. Josefine, Edvard und Ole hatten dicht beieinander gesessen; denn viel Platz war nicht. Keiner hätte nach ihrer heiteren, meist im Flüsterton geführten Unterhaltung ahnen können, daß nicht alles zwischen ihnen die lautere Freundschaft und Güte war. Und jetzt, kaum drei Stunden später, saß Ole Tuft da als Ausgestoßener. Wie weh das tat! Ein plötzlicher Angriff auf seinen Beruf, seinen Glauben – vor aller Augen! Und gerade von Edvard! Und so grausam! So erbarmungslos höhnisch! Und Josefine! Kein Wort der Teilnahme von ihr – keinen Blick!

Von Kindheit an hatten sie zusammengehalten, Ole und sie, hatten einander geschrieben, als er in Kristiania war – er alle vierzehn Tage; sie, sooft sie etwas zu schreiben hatte. Wenn er in den Ferien zu Hause war, kamen sie täglich zusammen. In den zwei Jahren, als sie in der französischen Pension und in Spanien war, wurde der Briefwechsel eifriger geführt, auch ihrerseits, – und als sie wieder nach Hause kam – so sehr sie sich auch sonst verändert hatte – im Verhältnis zu ihm war sie dieselbe geblieben! Ihr Vater unterstützte ihn bei seinen Studien, so daß er sich mit voller Hingabe ihnen widmen konnte; zu Weihnachten sollte er sein letztes Examen machen; und jedermann prophezeite ihm, es würde ganz glänzend ausfallen. Daß man ihn so unterstützt hatte, das verdankte er ohne Zweifel ihr, vielleicht auch ihrem Bruder. Beide hatten ihn seinerzeit bei ihrem Vater, beim Rektor, beim Apotheker und auch sonst eingeführt; auch jetzt verschaffte sie ihm Zutritt überall. Für gewöhnlich war sie wortkarg und manchmal recht schwierig; aber in ihrem Freundschaftsverhältnis von unverbrüchlicher Treue. Sie konnte ihn auszanken (er war gar nicht immer so, wie's ihr paßte); aber das gehörte zu ihrem Verkehr; er nahm das weiter nicht schwer, und sie erst recht nicht. Sie war ja vom ersten Tag an sein Vormund gewesen. Noch hatte er nicht gewagt, ihr zu sagen, daß er sie liebe; es hatte ja auch keine Eile; und im Grunde war es viel zu heilig. Er war ja ihrer so sicher wie seines Glaubens. Er war ein Bauer; sein Wesen war Einheit, sein Grundton Gefestigtheit. Für seinen Glauben sorgte Gott. Für sein Wohlergehen und seine Zukunft sorgte selbstverständlich auch Gott – aber durch Josefine. Sie war in seinen Augen das schönste, gesundeste, tüchtigste Mädchen im ganzen Land – und sehr reich. Das zählte auch mit; er war von kleinauf ein ehrgeiziger Träumer gewesen. Nur daß die Träume jetzt nach einer andern Richtung gingen.

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