Фридрих Ницше - Der Wanderer und sein Schatten стр 12.

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Aber diese kleinen abgespielten Tragikomödien werden bei jeder ihrer ungezählten und unzählbaren Aufführungen immer wieder von neuen Schauspielern dargestellt und hören deshalb nicht auf, interessierte Zuschauer zu haben: während man glauben sollte, daß die gesamte Zuschauerschaft des Erdentheaters sich längst aus Überdruß daran an allen Bäumen aufgehängt hätte. Soviel liegt an neuen Schauspielern, sowenig am Stück.

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Was ist» obstinat«?  — Der kürzeste Weg ist nicht der möglichst gerade, sondern der, bei welchem die günstigsten Winde unsere Segel schwellen: so sagt die Lehre der Schiffahrer. Ihr nicht zu folgen, das heißt obstinat sein: die Festigkeit des Charakters ist da durch Dummheit verunreinigt.

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Das Wort» Eitelkeit«.  — Es ist lästig, daß einzelne Worte, deren wir Moralisten schlechterdings nicht entraten können, schon eine Art Sittenzensur in sich tragen aus jenen Zeiten her, in denen die nächsten und natürlichsten Regungen des Menschen verketzert wurden. So wird jene Grundüberzeugung, daß wir auf den Wellen der Gesellschaft viel mehr durch das, was wirgelten,als durch das, was wirsind,gutes Fahrwasser haben oder Schiffbruch leiden — eine Überzeugung, die für alles Handeln in bezug auf die Gesellschaft das Steuerruder sein muß — mit dem allgemeinsten Worte» Eitelkeit«,»vanitas «gebrandmarkt: eines der vollsten und inhaltreichsten Dinge mit einem Ausdruck, welcher dasselbe als das eigentlich Leere und Nichtige bezeichnet, etwas Großes mit einem Diminutivum, ja mit den Federstrichen der Karikatur. Es hilft nichts, wir müssen solche Worte gebrauchen, aber dabei unser Ohr den Einflüsterungen alter Gewohnheit verschließen.

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Türkenfatalismus.  — Der Türkenfatalismus hat den Grundfehler, daß er den Menschen und das Fatum als zwei geschiedene Dinge einander gegenüberstellt: der Mensch, sagt er, könne dem Fatum widerstreben, es zu vereiteln suchen, aber schließlich behalte es immer den Sieg, weshalb das vernünftigste sei, zu resignieren oder nach Belieben zu leben. In Wahrheit ist jeder Mensch selber ein Stück Fatum; wenn er in der angegebenen Weise dem Fatum zu widerstreben meint, so vollzieht sich eben darin auch das Fatum; der Kampf ist eine Einbildung, aber ebenso jene Resignation in das Fatum; alle diese Einbildungen sind im Fatum eingeschlossen. — Die Angst, welche die meisten vor der Lehre der Unfreiheit des Willens haben, ist die Angst vor dem Türkenfatalismus: sie meinen, der Mensch werde schwächlich resigniert und mit gefalteten Händen vor der Zukunft stehen, weil er an ihr nichts zu ändern vermöge: oder aber, er werde seiner vollen Launenhaftigkeit die Zügel schießen lassen, weil auch durch diese das einmal Bestimmte nicht schlimmer werden könne. Die Torheiten des Menschen sind ebenso ein Stück Fatum wie seine Klugheiten: auch jene Angst vor dem Glauben an das Fatum ist Fatum. Du selber, armer Ängstlicher, bist die unbezwingliche Moira, welche noch über den Göttern thront, für alles, was da kommt; du bist Segen oder Fluch und jedenfalls die Fessel, in welcher der Stärkste gebunden liegt; in dir ist alle Zukunft der Menschen-Welt vorherbestimmt, es hilft dir nichts, wenn dir vor dir selber graut.

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Advokat des Teufels.  — »Nur durch eigenen Schaden wird manklug,nur durch fremden Schaden wird mangut« so lautet jene seltsame Philosophie, welche alle Moralität aus dem Mitleiden und alle Intellektualität aus der Isolation des Menschen ableitet: damit ist sie unbewußt die Sachwalterin aller irdischen Schadhaftigkeit. Denn das Mitleiden hat das Leiden nötig und die Isolation die Verachtung der anderen.

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Die moralischen Charaktermasken.  — In den Zeiten, da die Charaktermasken der Stände für endgültig fest, gleich den Ständen selber gelten, werden die Moralisten verführt sein, auch diemoralischenCharaktermasken für absolut zu halten und sie so zu zeichnen. So ist Molière als Zeitgenosse der Gesellschaft Ludwigs XIV. verständlich; in unserer Gesellschaft der Übergänge und Mittelstufen würde er als ein genialer Pedant erscheinen.

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Die vornehmste Tugend.  — In der ersten Ära des höheren Menschentums gilt die Tapferkeit als die vornehmste der Tugenden, in der zweiten die Gerechtigkeit, in der dritten die Mäßigung, in der vierten die Weisheit. In welcher Ära lebenwir?In welcher lebstdu?

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Was vorher nötig ist.  — Ein Mensch, der über seinen Jähzorn, seine Gall- und Rachsucht, seine Wollust nicht Meister werden will und es versucht, irgendworin sonst Meister zu werden, ist so dumm wie der Ackermann, der neben einem Wildbach seine Äcker anlegt, ohne sich gegen ihn zu schützen.

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Was ist Wahrheit? — Schwarzert(Melanchthon):»Man predigt oft seinen Glauben, wenn man ihn gerade verloren hat und auf allen Gassen sucht, — und man predigt ihn dann nicht am schlechtesten!«—

Luther:Du redest heut' wahr wie ein Engel, Bruder!

Schwarzert: »Aber es ist der Gedanke deiner Feinde, und sie machen auf dich die Nutzanwendung.«—

Luther:So wär's eine Lüge aus des Teufels Hinterm.

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Gewohnheit der Gegensätze.  — Die allgemeine ungenaue Beobachtung sieht in der Natur überall Gegensätze (wie z. B.»warm und kalt«), wo keine Gegensätze, sondern nur Gradverschiedenheiten sind. Diese schlechte Gewohnheit hat uns verleitet, nun auch noch die innere Natur, die geistig-sittliche Welt, nach solchen Gegensätzen verstehen und zerlegen zu wollen. Unsäglich viel Schmerzhaftigkeit, Anmaßung, Härte, Entfremdung, Erkältung ist so in die menschliche Empfindung hineingekommen dadurch, daß man Gegensätze an Stelle der Übergänge zu sehen meinte.

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Ob man vergeben könne? — Wie kannman ihnen überhaupt vergeben, wenn sie nicht wissen, was sie tun! Manhatgar nichts zu vergeben. -Aberweißein Mensch jemalsvöllig,was er tut? Und wenn dies immer mindestensfraglichbleibt, so haben also die Menschen einander nie etwas zu vergeben, und Gnadeüben ist für den Vernünftigsten ein unmögliches Ding. Zu allerletzt:wenndie Übeltäter wirklich gewußt hätten, was sie taten — so würden wir doch nur dann ein Recht zurVergebunghaben, wenn wir ein Recht zur Beschuldigung und zur Strafe hätten. Dies aber haben wir nicht.

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Habituelle Scham.

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