“Gerne,” antwortete der kleine Mann, “nimm du nur den Stamm auf deine Schulter, ich will die Äste mit dem Gezweig aufheben und tragen, das ist doch das Schwerste.” Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter, der Schneider aber setzte sich auf einen Ast, und der Riese, der sich nicht umsehen konnte, musste den ganzen Baum und das Schneiderlein noch obendrein forttragen. Es war da hinten ganz lustig und guter Dinge, pfiff das Liedchen “Es ritten drei Schneider zum Tore hinaus,” als wäre das Baumtragen ein Kinderspiel. Der Riese, nachdem er ein Stück Wegs die schwere Last fortgeschleppt hatte, konnte nicht weiter und rief: “Hör, ich muβ den Baum fallen lassen.”
Der Schneider sprang behendiglich herab, faβte den Baum mit beiden Armen, als wenn er ihn getragen hätte, und sprach zum Riesen: “Du bist ein so groβer Kerl und kannst den Baum nicht einmal tragen.”
Sie gingen zusammen weiter, und als sie an einem Kirschbaum vorbeigingen, faβte der Riese die Krone des Baums, wo die zeitigsten Früchte hingen, bog sie herab, gab sie dem Schneider in die Hand und hieβ ihn essen. Das Schneiderlein aber war viel zu schwach, um den Baum zu halten, und als der Riese loslieβ, fuhr der Baum in die Höhe, und der Schneider ward mit in die Luft geschnellt. Als er wieder ohne Schaden herabgefallen war, sprach der Riese: “Was ist das, hast du nicht Kraft, die schwache Gerte zu halten?”.
“An der Kraft fehlt es nicht,” antwortete das Schneiderlein, “meinst du, das wäre etwas für einen, der Siebene mit einem Streich getroffen hat? Ich bin über den Baum gesprungen, weil die Jäger da unten in das Gebüsch schieβen. Spring nach, wenn du es vermagst.” Der Riese machte den Versuch, konnte aber nicht über den Baum kommen, sondern blieb in den Ästen hängen, also dass das Schneiderlein auch hier die Oberhand behielt.
Der Riese sprach: “Wenn du ein so tapferer Kerl bist, so komm mit in unsere Höhle und übernachte bei uns.” Das Schneiderlein war bereit und folgte ihm. Als sie in der Höhle anlangten, saβen da noch andere Riesen beim Feuer, und jeder hatte ein gebratenes Schaf in der Hand und aβ davon. Das Schneiderlein sah sich um und dachte: “Es ist doch hier viel weitläufiger als in meiner Werkstatt.” Der Riese wies ihm ein Bett an und sagte, er sollte sich hineinlegen und ausschlafen. Dem Schneiderlein war aber das Bett zu groβ, es legte sich nicht hinein, sondern kroch in eine Ecke.
Als es Mitternacht war und der Riese meinte, das Schneiderlein läge in tiefem Schlafe, so stand er auf, nahm eine groβe Eisenstange und schlug das Bett mit einem Schlag durch, und meinte, er hätte dem Grashüpfer den Garaus gemacht.
Mit dem frühsten Morgen gingen die Riesen in den Wald und hatten das Schneiderlein ganz vergessen, da kam es auf einmal ganz lustig und verwegen dahergeschritten. Die Riesen erschraken, fürchteten, es schlüge sie alle tot, und liefen in einer Hast fort.
Das Schneiderlein zog weiter, immer seiner spitzen Nase nach. Nachdem es lange gewandert war, kam es in den Hof eines königlichen Palastes, und da es Müdigkeit empfand, so legte es sich ins Gras und schlief ein. Während es da lag, kamen die Leute, betrachteten es von allen Seiten und lasen auf dem Gürtel: “Siebene auf einen Streich.” – “Ach,” sprachen sie, “was will der groβe Kriegsheld hier mitten im Frieden? Das muβ ein mächtiger Herr sein.” Sie gingen und meldeten es dem König, und meinten, wenn Krieg ausbrechen sollte, wäre das ein wichtiger und nützlicher Mann, den man um keinen Preis fortlassen dürfte.